Friction Fest (17.10.2015, Köln, Essigfabrik)
Was nach langer Pause am 16. Oktober 2015 in Berlin einen neuen Auftakt feierte, wurde nur einen Tag später erfolgreich in Köln wiederholt: das Friction Fest mit Katatonia als Headliner.
Bereits um 17 Uhr nachmittags ging es in der Essigfabrik am Rhein mit der Band Łinie los. Ihren Sound ordnen die Hamburger selbst irgendwo zwischen „Rock, Desert, Noise und Darkness“ ein – tatsächlich lässt sich die Musik des Quintetts nur schwer in Worte fassen. Gewiss ist allerdings: Sie ist düster, schwer, brachial und dank Keyboard-Mann Iggi auch immer wieder mit elektronischen Elementen gespickt. Am Mikro steht Jörn, der aber – neben Alex – auch das Gitarrenspielen beherrscht. Dann wären da noch Ralph am Bass sowie Alex Nr. 2 am Schlagzeug. Letzterer stand beim Friction Fest plötzlich im Fokus, als er auf der in Nebel gehüllten Bühne in gleißendes Scheinwerferlicht getaucht wurde und selbst zum Mikrofon griff, um einen Song zu „schreien“. Insgesamt eine halbe Stunde hatte die Band Gelegenheit, die Erstankömmlinge in der Essigfabrik auf den langen Abend einzustimmen. Doch noch hielten die Besucher gebührenden Abstand zur Bühne und beobachteten den Auftritt lieber aus „sicherer“ Entfernung, schenkten Łinie aber einen warmen Applaus nach dem kurzen Auftritt.
Als nächstes waren Todtgelichter – ebenfalls aus Deutschlands Norden – an der Reihe. Sie dürften den Besuchern besonders in Erinnerung geblieben sein, doch nicht nur, weil sie komplett in Weiß gekleidet und mit bleich geschminkten Gesichtern die Bühne in Beschlag nahmen. Am Mikrofon stand mit Marta die einzige Frau, die an jenem Abend auf dem Friction Fest auftrat – und dann auch noch eine Frau, die männlichen Growlern in nichts nachsteht. Überraschung gelungen – zumindest wenn einem die Band vorher nichts sagte. Doch neben ihren Screams überzeugte die Frontfrau von Todtgelichter auch mit cleanen Vocals, die immer wieder für Abwechslung und Entspannung sorgten. Während ihres gut halbstündigen Auftritts, bei dem die hellen Outfits der Musiker vornehmlich in blaues Licht getaucht wurden, präsentierten die Hamburger den einen oder anderen neuen Song und versorgten die Zuschauer mit reichlich Doublebass, Strobolights sowie Passagen mit einem gewissen Jazz-/Lounge-Flair.
Dass manchmal nicht viel nötig ist, um eine überzeugende Show zu liefern, stellten im Anschluss Mantar unter Beweis. Das Duo aus Bremen nahm lediglich mit Gitarre und Schlagzeug die Bühne der Essigfabrik in Beschlag. Schlagzeuger Erinc zur Rechten, Sänger und Gitarrist Hanno zu Linken positioniert – doch nicht etwa mit Blickrichtung gen Publikum. Die Musiker sahen sich selbst an und lieferten sich ein wahres Black-Metal-Punk-Duell – beide mit nacktem Oberkörper. Standen die Zuschauer bei den beiden vorangegangen Bands noch im luftigen Abstand zur Bühne, drängten sie sich nun vor eben dieser und ließen ihre Haare fliegen – zumindest einige. Große Ansagen gab es von Seiten der Band nicht. Die beiden Herren zogen stramm ihr Programm durch. Lediglich kurz vor Ende der Show wies Hanno darauf hin, dass es noch etwa 15 Minuten Merch zu kaufen gäbe. Dann müsse man abbauen und gen Holland zu einem weiteren Auftritt düsen.
Gegen 19:40 Uhr wurde es Zeit für die Post-Metaller von Heretoir, die eine schöne Balance zwischen „Heaviness“ und ruhigen, melancholischen Passagen präsentierten. Im Mittelpunkt stand dabei Sänger und Gitarrist Eklatanz, der immer wieder seine langen Dreads kreisen ließ und damit auch den einen oder anderen Festival-Besucher ansteckte. „Danke Köln, ihr seid wunderbar!“, freute sich der Frontmann sichtlich über das entgegengebrachte Engagement. Dann stürmte plötzlich Thorsten Hirsch von der Post-Black-Metal-Band Agrypnie die Bühne, um Eklatanz, der bei jener Band an der Gitarre aktiv ist, in einem Song gesanglich zu unterstützen. Doch genauso schnell, wie Thorsten als Überraschungsgast aufgetaucht war, verschwand er nach dem Song auch wieder – den Applaus der Zuschauer mitnehmend. Dafür gewährten Heretoir noch einen Einblick ins neue Album „The Circle“, das demnächst erscheinen soll. „Habt mit uns noch ein bisschen Geduld – Qualität braucht seine Zeit“, schrieb die Band kürzlich in einem Facebook-Post. Wir sind gespannt! Live klingen die neuen Töne schon einmal sehr vielversprechend.
Mit einem großen Banner wurde die vorletzte Band des Abends angekündigt: Primordial. Mittlerweile hatte sich der Saal richtig gut gefüllt und alles drängte gen Bühne hin, als die Iren eben diese nach einem längeren Intro stürmten und ihre Anhänger mit einer Melange aus Black-, Celtic-/Folk- und Pagan-Metal verwöhnten. Frontmann AA Nemtheanga (Alan Averill) mit zerfleddertem Kapuzenshirt und dreckigen Streifen im Gesicht verkündete feierlich: „We’re Primordial and we’re from the Republic Of Ireland!“ Dann rief er: „Are you with us? Raise your fists!“ Die Zuschauer gehorchten aufs Wort und hoben die Fäuste gen Hallendecke, während der Sänger fortan sehr aktiv über die Bühne hechtete. Zwischendurch hatte er immer wieder Probleme mit dem Mikrofon, das schließlich komplett den Geist aufgab und rasch ausgetauscht werden musste. Die Musiker ließen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen und zogen ihre gut einstündige Show mit Songs wie „No Grave Deep Enough“, den sie Katatonia widmeten, „As Rome Burns“ und „Wield Lighting To Split The Sun“ souverän durch, dabei stets von der feiernden Menge bejubelt.
Den Höhepunkt des Abends bildete der Auftritt der schwedischen Progressive-Dark-Metaller Katatonia, die kurz vor halb 11 von ihren Fans in der ersten Reihe mit einem großen Stoff-Banner, auf dem der Bandname mit einem Herz versehen war, empfangen wurden. Das zauberte sogleich ein Lächeln auf die Lippen der Musiker, die ihren Auftritt mit „Buildings“ starteten. Im Hintergrund hatte man das Primordial-Logo für die Katatonia-Show gegen ein Banner mit schwarzen Krähen ausgetauscht, ein Vogel, der immer wieder auf den Platten der schwedischen Band auftaucht. Diese musste zuletzt einen Besetzungswechsel über sich ergehen lassen, weshalb Frontmann Jonas Renkse auf dem Friction Fest zwei neue Gesichter an Gitarre (Tomas Åkvik) und Schlagzeug (Daniel Moilanen) vorstellte. Gerade letzterer wurde während der gut anderthalbstündigen Show stets in helles Scheinwerferlicht getaucht, während der Rest der Band fast schon in Dunkelheit versank.
Gerade von Jonas, der sein Gesicht ohnehin immer hinter seiner langen Matte versteckt, konnte man da keine schönen Schnappschüsse machen – zum Leidwesen der Fotografen. Musikalisch bot das Quintett eine bunte Song-Mischung, wobei etwa „Increase“, „Leaders“ und „July“ von der Platte „The Great Cold Distance“ vorgetragen wurden, „Forsaker“ und „The Longest Year“ von „Night Is The New Day“ dran kamen sowie „Dead Letters“, „The Racing Hearts“ und „Lethean“ von der Scheibe „Dead End Kings“ aus den Boxen dröhnten. Viele Songs wurden von den Fans auswendig mitgesungen – ansonsten mit Headbanging quittiert. Nicht nur einmal bedankte sich Jonas für den regen Zuspruch. „Thanks for coming out to see us. I’m very happy to be here!“ Und er versprach abschließend, dass es bald neue Töne von Katatonia zu hören gebe.
Hier findet ihr mehr Bilder zum Festival.
Text: Lea Sommerhäuser
Fotos: Sandro Griesbach
20 October 2015 Dark Aurora