XII. Amphi-Festival (23.+24.07.2016, Köln, Tanzbrunnen)
Das 12. Amphi-Festival ist bereits wieder Geschichte. Zwei Tage lang feierten die Fans düsterer Electro-, Gothic-, EBM- und Rock-Klänge im Kölner Tanzbrunnen. Ins Festivalwochenende einstimmen konnten sich die Besucher bereits freitags beim Event „Call The Ship To Port“ mit den Bands Apoptygma Bezerk sowie Oomph!
Laut Veranstalter reisten 12.000 Fans aus aller Welt an, um dem diesjährigen Amphi beizuwohnen. Nachdem es im vergangenen Jahr in der bzw. auf dem Gelände der Kölner Lanxess-Arena stattgefunden hatte, kehrte es anno 2016 in den Heimathafen „Tanzbrunnen“ zurück – inklusive Beach und Rheinpanorama. Über 40 Bands spielten an beiden Festivaltagen – und zwar auf drei verschiedenen Bühnen: Es gab die große überdachte Open-Air-Bühne (Main Stage), eine Indoor-Bühne (Theater Stage) sowie eine kleine Bühne auf der MS Rheinenergie (Orbit Stage), für die man allerdings das Gelände verlassen und ein paar Schritte laufen musste. Nix für Fußfaule. Dafür wartete auf dem Schiff mitunter ein leckeres Curry-Büffet zu annehmbaren Preisen, während die Speisen und Getränke auf dem eigentlichen Festival-Gelände schnell mal ein paar Löcher in die Geldbörse fressen konnten. Immerhin gab es zwei Wasserstationen, an denen man sich kostenfrei mit Leitungswasser eindecken konnte. Eine hervorragende Idee, schließlich knallte die Sonne an jenem Wochenende fast durchgängig vom Himmel.
Samstag, 23.07.2016:
Den musikalischen Auftakt boten am Samstagvormittag die „Elektroniker“ [X]-RX. Für sie war es ein Heimspiel und nicht wenige Zuschauer tummelten sich bereits vor der Hauptbühne, obgleich die Uhr gerade mal 11 zeigte. Songs wie „Virus Infect“ und „Stage 2“ wurden zum Warmtanzen genutzt. Eine weitere „Vorspeise“ gab es mit Solitary Experiments, die vor zwei Jahren bereits ihr 20-jähriges Jubiläum feierten und in Köln in roten Hemden mit schwarzen Krawatten auftraten. Schick! „Wir spielen heute nur Hits“, versprach Frontmann und Sänger Dennis Schober. Nach den elektronischen Klängen folgte auf der Hauptbühne Neue Deutsche Härte – und zwar in Form von Megaherz und Stahlzeit. Erstere Band feierte ihre Premiere auf dem Amphi und eröffnete ihren gut 50-minütigen Auftritt mit „Zombieland“, dicht gefolgt von Hits wie „Miststück“ und „Heuchler“. Aber auch „Glorreiche Zeiten“ sowie das balladeske „Einsam“ von der aktuellen EP „Erdwärts“ kamen nicht zu kurz. Die Musiker selbst hatten ihre Gesichter schwarz-weiß geschminkt und machten ordentlich Dampf auf der Bühne, was im Publikum gut ankam. Noch mehr Dampf (im wahrsten Sinne des Wortes) boten im Anschluss Stahlzeit mit ihrer exorbitanten Bühnenshow. Nun gut, schließlich covern die Jungs Rammstein nicht nur musikalisch. Da mussten also Feuerfontänen, Funkenregen, Knalleffekte und auch ein Kunstpenis her, um Songs wie „Bück dich“, „Sonne“, „Du hast“ und „Ich will“ gebührend zum Besten zu geben.
Neben der Dark-Rock-Band Mono Inc. und dem Künstler Peter Heppner ward auch Tarja Turunen ein gern gesehener Gast auf der Main Stage. Die Finnin steckte mit ihrer guten Laune an und stellte einmal mehr unter Beweis, dass sie auch ohne Nightwish das Zeug zum Rocken hat. Headliner waren allerdings Blutengel, wobei Chris Pohl und seine „Arbeitskolleginnen“ wie gewohnt eine elektronisch-erotische Show darboten – inklusive Videosequenzen und Nebelfontänen. Freunde der eher härteren Industrial-Klänge fanden sich derweil im Theater ein, um dort parallel Front Line Assembly zu frönen. Generell traten an jenem ersten Festivaltag viele elektronische Bands auf der Indoor-Bühne auf, darunter beispielsweise die Holländer von Angels & Agony, das One-Man-Projekt Dive oder das Duo Spetsnaz aus Schweden, bei dem der runde Bau fast aus allen Nähten platzte. Ewigheim (mit Musikern von The Vision Bleak und Eisregen) fielen hier musikalisch mit ihrem Dark Metal zwar ein wenig aus der Reihe, erfreuten die Zuschauer allerdings mit amüsanten Songtiteln wie „Schneemann“ und „Das Rad der Käfer“. One I Cinema, die eigentlich das Programm auf der Theater-Bühne eröffnen sollten, mussten ihren Auftritt leider krankheitsbedingt komplett abblasen.
Dafür konnten die Festivalbesucher noch zahlreiche weitere Künstler auf der MS Rheinenergie erleben: Bloodsucking Zombies From Outer Space, Laura Carbone, das Duo Lebanon Hanover, das seinen letzten Auftritt in diesem Jahr darbot, die Gothic-/Post-Rocker von Whispers In The Shadow, Nosferatu wie auch Der Fluch. Letztere Band konnte auf dem vergangenen Amphi nicht spielen, weil bekanntlich ein Unwetter dazwischen kam, dafür wurde der Auftritt in diesem Jahr mit Bravour nachgeholt. Die Zuschauer standen hierbei direkt vor der Bühne, konnten die Szenerie aber auch eine Etage höher von der „Tribüne“ aus beobachten. Wer sich lieber ein musikalisches Päuschen gönnen wollte, bediente sich am Büffet oder sicherte sich einen Strandkorb an Deck, um die Sonne anzubeten.
Sowohl auf dem Schiff als auch im Theater gab es nach den Konzerten, die alle kurz vor 22 Uhr endeten, After-Show-Parties mit bekannten Szene-DJs wie DJ Sven Friedrich (Solar Fake, Zeraphine), DJane Schwarze Witwe (Das Chaos Team) und DJ Faderhead. Zudem konnte man mit einem sogenannten Honey-Ticket (gab es kostenlos, aber limitiert am Festivalinfostand) das Special „Songwriting Interaktiv C=64“ mit Welle:Erdball-Sänger Honey besuchen.
Sonntag, 23.07.2016:
Am zweiten Festivaltag wurde das Gelände wieder gegen 10 Uhr für die Besucher geöffnet. Um sich die Zeit bis zum ersten Auftritt zu vertreiben, bot sich ein Besuch der Händlermeile an. Hier gab es alles, was das (Gothic-)Herz begehrt: Lack- und Leder-Outfits, CDs, Schmuck, düstere Accessoires… Fürs Leibliche Wohl sorgten etwa Crépe-, Burger-, Pizza- und Pommes-Stand, aber auch der Eismann hatte immer gut zu tun. Cocktails konnte man an der Beach-Bar kaufen und sich anschließend in einen der begehrten Liegestühle am Strand fallen lassen. Met der unterschiedlichsten Sorten gab es derweil in der Met-Lounge auf einer kleinen von Wasser umrahmten „Insel“ mitten auf dem Tanzbrunnen-Gelände. Ferner hatten die Festivalbesucher die Gelegenheit, mit ihren Lieblingsmusikern auf Tuchfühlung zu gehen, schließlich wurden täglich mehrere Autogrammstunden angeboten, bei denen sich die Künstler auch bereitwillig mit ihren Fans fotografieren ließen. Nicht zuletzt bot das Amphi 2016 noch ein Schmankerl für alle Museums- und Sightseeing-Fans, die sich fernab der Musik ein bisschen mit Köln beschäftigen wollten. Denn dank einer Kooperation mit den Kölner Museen gab es für jeden Festivalbesucher von freitags bis sonntags ermäßigten Eintritt in die Ausstellungssäle der Stadt. Fraglich ist allerdings, ob sich tatsächlich wer ein Festivalticket gekauft hat, um dann anschließend in die Stadt zu verschwinden und bei schönstem Sonnenschein durch düstere Museen zu wandeln. Immerhin hätte man nicht all seine sieben Sachen mitschleppen müssen, denn im Eingangsbereich zum Festivalgelände hatten die Organisatoren zahlreiche Schließfächer aufgestellt, in denen man seine Habseligkeiten sicher verstauen konnte.
Doch zurück zur Musik, denn auch der zweite Amphi-Tag hatte wieder zahlreiche Band-Highlights zu bieten, die mitunter von Dr. Mark Benecke anmoderiert wurden. Auf der Main Stage kümmerten sich Beyond Obsession um das Aufwärmprogramm und übergaben das Mikro anschließend an das Berliner Trio Tüsn. Dieses überzeugte mit berührenden, elektronisch-poppigen Songs über zehntausend Lichtmomente, das ewige Alleinsein und schwarze Gedanken. Glocken läuteten den Auftritt ein und aus. Wer mehr von der Band sehen und hören will, hat etwa im Oktober in Köln die Gelegenheit dazu. Auch die Jungs der Unzucht ließen sich in diesem Jahr auf dem Amphi blicken und rockten die Main Stage mit Songs wie „Deine Zeit läuft ab“, „Kleine geile Nonne“ und „Engel der Vernichtung“. Ebenso performten sie die Ballade „Schweigen“, während Frontmann und Sänger Daniel Schulz beim Kracher „Unzucht“ ein Bad in der Menge wagte. Zum Schluss noch ein Gruppenfoto, dann war der Auftritt nach gerade mal 50 Minuten leider schon wieder vorbei. Dafür konnte man sich im Anschluss auf Solar Fake freuen, wobei Sänger Sven Friedrich und sein Musikerkollege André Feller immer wieder in Nebelschwaden untertauchten, während sie „Under Control“, das ältere Stück „Here I Stand“ oder „If I Were You“ performten. Im Folgenden blieb es recht elektronisch auf der Hauptbühne – mit Suicide Commando, Covenant und Project Pitchfork – und es bildeten sich in der Menge mehrere „Tanzgruppen“. Dagegen bildete der Auftritt der Headliner Editors ein wahres Kontrastprogramm. Der eine oder andere mag sich vielleicht gewundert oder gar gefragt haben, wer sich überhaupt hinter dieser Band verbirgt, doch letztlich blieb der Platz vor der Main Stage gut gefüllt, als die britische Indie-Rock-Band loslegte. Ihre Songs irgendwo im Spektrum von New Wave und Post Punk kamen sehr gut an. Im Publikum wurde geklatscht und getanzt. Es mag zwar nicht ganz so voll wie bei Project Pitchfork gewesen sein, die Stimmung war dafür explosiv. Nur leider blieben die Zugabe-Rufe am Ende unerhört.
Parallel zu den Editors performte Joachim Witt auf der Indoor-Theater-Bühne. Davor gab es in dem Rundbau eine recht bunte Musikmischung, angefangen mit der Industrial-Band Xotox, gefolgt vom Dark Wave der Schweizer The Beauty Of Gemina, den metallischen Klängen der Berliner Ost+Front sowie den Rocktönen der Herren Coppelius, die sich nun erst einmal eine Pause von den Clubbühnen gönnen wollen. Auf ihrer Facebook-Seite schreiben sie: „Wir brauchen etwas Zeit, um etwas Abstand zu gewinnen und einmal tief Luft zu holen. Wir wissen noch nicht, wann und wie es weiter geht – nur eines ist gewiss: Dies soll nicht das Ende sein.“ So werde Coppelius auch in Zukunft mit Flöten und Kontrabass weiterhelfen, zum Glück. Als nächstes enterten L’âme Immortelle – mit etwas Zeitverzug – die Theater-Bühne und legten relativ ruhig los. Sonja Kraushofer und Thomas Rainer präsentierten einen guten Mix aus englischen und deutschen Titeln, wobei insbesondere die rothaarige Frontfrau mit ihrem wallenden Kleid, das sie während des Auftritts gar einmal wechselte, im Mittelpunkt stand. Performt wurden u.a. „Life Will Never Be The Same Again“,„Phoenix“ und „5 Jahre“. Nicht zuletzt gab es noch den Dark Metal von Moonspell auf die Ohren. Proppevoll war es beim Auftritt zwar nicht, doch die Anwesenden machten wenigstens gute Stimmung. Hier flogen tatsächlich mal die Haare, als die Portugiesen Songs wie „Vampiria“ oder „Alma Mater“ anstimmten.
Auch auf der Schiffsbühne wurde sonntags musikalisches Programm geboten: etwa mit XMH und The Devil & The Universe, die anfangs unter teuflischen Ziegenmasken versteckt und in schwarze Umhänge gehüllt auf Trommeln und Synthesizer „einschlugen“. Hier musste nochmals Ashley Dayour ans Werk, der am Vortag bereits mit Whispers In The Shadow auf der Bühne gestanden hatte. Ferner durften Faderhead, Escape With Romeo und Spiritual Front performen.
Gegen 22 Uhr waren die Konzerte dann alle durch, das Festivalrahmenprogramm aber noch lange nicht. So legten im Theater wieder zahlreiche DJs auf, um die nach wie vor feierwütigen Amphi-Besucher bei Laune zu halten. Mit von der Partie z.B. DJ Alexx Botoxx aus dem Eisenlager und DJ Dalecooper aus dem Shadow. Und damit endete in den frühen Morgenstunden ein vollgepacktes, friedliches Schwarze-Szene-Event, das im kommenden Jahr einmal mehr „zuhause“ im Kölner Tanzbrunnen stattfinden sollen. Ein Termin steht auch schon fest: 22. und 23. Juli 2017 und der Vorverkauf ist bereits gestartet. So gibt es im Amphi-Ticketshop ab sofort die Early-Bird-Tickets zum Preis von 65,00 Euro zzgl. Gebühren. Die Frühbüchertickets sind wie immer streng limitiert. Die Auslieferung beginnt Ende August.
Text: Lea Sommerhäuser
Fotos: Sandro Griesbach / Galerie
10 August 2016 Dark Aurora