19. Tuska Open Air Metal Festival (01.-03.07.2016, Helsinki, Suvilahti) – TAG 2
Auch der zweite Tuska-Festivaltag startete wieder mit viel Sonnenschein. Wer sich da von den Metal-Fans und Musikern nicht eincremte, durfte sich abends über den einen oder anderen Sonnenbrand freuen. Doch glücklicherweise wurde im mobilen Alepa-Supermarkt auch Sonnencreme verkauft. Dieser war übrigens stets stark frequentiert, aber auch im Food Garden tummelten sich später am Tag die Besucher. Sie mussten allerdings tierisch aufpassen, dass ihnen das Essen nicht von den gefräßigen Möwen aus den Händen geschnappt wurde.
Samstag, 02.07.2016:
Das Programm auf der Hauptbühne startete diesmal eine viertel Stunde eher als am Vortag, sprich um 13:45 Uhr. Den Anfang machten Brymir – ein Heimspiel für die sechs Finnen, die ihren Sound als Glorious Extreme Metal beschreiben. Mit Keyboards und heroischen Streicherklängen. Und nicht gerade langsam. Jedenfalls ein guter Wachmacher zu jener „frühen“ Stunde. In der ersten Reihe wurde bereits gebangt und die Fäuste wurden erhoben. Die Jungs präsentierten Songs von ihrem Debüt-Album „Slayer Of Gods“, das erst kürzlich erschienen ist.
Eine viertel Stunde später stiefelte auch in der am anderen Ende des Geländes gelegenen Halle die erste Band auf die Bühne: Fuck-Ushima. Dahinter verbirgt sich eine vierköpfige Truppe aus dem finnischen Tampere, die sich laut Facebook Sludge und Hardcore Punk widmet. Aber im Grunde war es „Volle Kanne auf die Fresse“-Musik, anfangs ziemlich verzerrt und schräg, ansonsten mit reichlich viel Geknüppel und Geschrei von Sänger Lassi. Nicht unbedingt jedermanns Geschmack, aber zwei, drei Leute in der Menge sprangen begeistert und wild herum.
Dagegen wirkten With The Dead auf der Helsinki Stage mit ihren doomigen Metal-Klängen fast schon einschläfernd, aber nur im direkten Vergleich. Der ganz in Schwarz gekleidete Frontmann Lee Dorrian (ex-Napalm Death/Cathedral) bangte immer wieder zu den schleppenden Songs, das Publikum wirkte hingegen leider etwas steif. Nur vereinzelt wurden mal die Fäuste geballt und gen Zeltdach erhoben – der Rest lauschte einfach aufmerksam der Musik.
Danach mussten sich die Besucher zwischen Primordial und Circle entscheiden, die beide um 14:55 Uhr mit ihren Auftritten loslegten. Erstere Band nahm die Radio Rock Main Stage in Beschlag und Frontmann AA Nemtheanga (Alan Averill) verkündete lautstark: „We are Primordial from the Republic Of Ireland!“ Generell schien er sehr gesprächig und richtete während der einstündigen Show immer wieder die Worte ans Publikum. Optisch hatte er sich in zerfledderte Klamotten geschmissen und das Gesicht gewohnt schwarz-weiß geschminkt. In den ersten Reihen waren alle hellwach und frönten den metallischen Klängen der Iren. Fäuste und Devil Horns wurden gezeigt. Und von der Bühne aus wurden die Besucher zusätzlich mit den Rufen „Tuska go!“ angefeuert. Als letzten Song präsentierten die Musiker „Empire Falls“.
Bei Circle auf der Inferno Stage erwartete die Zuschauer derweil ein komplett anderes Bild – sowohl optisch als auch musikalisch. Die sechs Musiker aus dem finnischen Küstenstädtchen Pori hatten sich in trashige Hippie-Outfits geschmissen: etwa pinke Shorts, Netzstrumpfhose, blaue Trainingsjacke. Dazu Nietengürtel. Gesanglich gab es ausnahmsweise mal kein Gegröle, soundtechnisch ging es mal schneller, mal langsamer zur Sache – wobei sich der Sänger zwischendurch ans Keyboard setzte, wenn er sich nicht gerade von einem anderen Bandmitglied über die Bühne tragen ließ, während ihr Kollege an der Gitarre auf Knien rockte. Insgesamt ein etwas seltsamer und dennoch lohnenswerter Auftritt.
Danach kamen die Festivalbesucher in den Genuss von norwegischem Black Metal, denn Tsjuder eroberten die Helsinki Stage. Alle drei Musiker hatten ihre Oberkörper entblößt und die Gesichter böse geschminkt. Dazu gab es Blastbeats und das Geschrei und Gekeife von Sänger und Bassist Nag. Ein Wunder, dass sich niemand der Herren an den eigenen Stachelnietenarmbändern verletzte. Die sahen schon ein wenig gefährlich aus. Beim Publikum kam das Gedresche des Trios gut an – alles drängte sich dicht vor der Bühne und die Fäuste flogen mal wieder.
Wem das eine Nummer zu hart war, konnte derweil indoor den Auftritt von Crimson Sun genießen. Endlich nochmals eine Frau – Sini Seppälä – am Mikrofon! Das Quintett aus Kotka präsentierte den Zuschauern Modern Melodic Metal. Ende des Monats werden die Finnen übrigens S-Tool, die neue Band von Ville Laihiala (ex-Sentenced, Poisonblack), in Helsinki supporten.
Eine richtige Kracher-Band hatten die Tuska-Organisatoren mit Turmion Kätilöt engagiert, die ab 16:40 Uhr die Main Stage rockte. Alles begann mit einem lauten Knall! Erst danach durften die Fotografen in den Graben, um Schnappschüsse zu machen. Zu sehen gab es dafür viel – schon allein die „Kriegsbemalung“ der Musiker machte das Fotografieren spannend. Musikalisch gab’s seitens der Truppe mit ihren zwei Sängern finnischen Industrial Metal auf die Ohren – sehr melodisch, sehr eingängig. Beim zweiten Song schossen Feuerfontänen in die Höhe und zugleich wurden riesige, luftgefüllte EMP-Bälle auf die Zuschauer losgelassen, die während des weiteren Show-Verlaufs munter von Kopf zu Kopf hüpften. Trotz finnischer Songtexte und finnischer Ansagen, die womöglich nicht jeder im Publikum verstand, hatten alle Spaß und feierten die Band.
Auf der Inferno-Bühne spielten zu gleicher Zeit Mørket – einmal mehr eine Band aus Helsinki, die allerdings erst 2014 gegründet wurde und sich schwarzmetallischen Klängen widmet. Im direkten Anschluss waren ihre „Nachbarn“ Embreach an der Reihe, die sich wiederum dem Melodic Death Metal verschrieben haben. Ihr Sänger – Sami Honkonen – wechselte zwischen cleanen Vocals und bösen Growls, das Publikum zeigte sich begeistert.
Melodic Death Metal gab es ebenso auf der Helsinki Stage zu hören, denn hier waren ab 17:40 Uhr Omnium Gatherum an der Reihe – eine Band, die zuletzt viel durch die Weltgeschichte getourt ist, und das über die Grenzen Europas hinaus. Auf dem Tuska 2016 präsentierte das Sextett Songs von seinem aktuellen Album „Grey Heavens“, darunter beispielsweise den Ohrwurm „Skyline“ oder das wuchtige „Frontiers“, bei dem Bandoberhaupt Markus Vanhala wie so häufig ein feines Gitarrensolo hinblätterte und alle Zuschauer im Takt der Musik mitklatschten. Bei „Ophidian Sunrise“ präsentierten die Musiker kollektives Headbanging, was auch den einen oder anderen Besucher animierte. Ein insgesamt gelungener Auftritt!
Auf der Hauptbühne ging es im Programm mit Obscura aus Deutschland weiter. Eine knappe Stunde hatten die Münchener Zeit, die überwiegend finnischen Zuschauer von ihren progressiven (Death-)Metal-Klängen zu überzeugen. Mit im Gepäck: Songs vom neuen Album „Akroasis“, darunter beispielsweise „The Monist“. Das Gedränge vor der Bühne blieb dabei überschaubar – zuvor bei Omnium Gatherum hatte das Publikum deutlich mehr Stimmung gemacht. Dennoch kam die Metal-Band gut an und durfte sich bei der Autogrammstunde im Rahmen des Festivals über zahlreiche Fanbesuche freuen.
Auf der Indoor-Bühne wurden derweil die Sets von Havok und Lord Vicar getauscht, so dass letztere Band zuerst spielte und eine Mischung aus Doom Metal und Hard Rock präsentierte – allerdings mit relativ cleanem Gesang. Sechs Songs gab’s für die zahlreich erschienenen Zuschauer auf die Ohren, darunter „The Last Of The Templars“, „Sinking City“ und „The Green Man“. Sänger Chritus hatte sich ein paar Spickzettel zurechtgelegt, das sei ihm gegönnt. Parallel dazu widmeten sich Swallow The Sun im Solmusali ihrem zweiten Tuska-Auftritt mit einem Akustikset, was sich nicht wenige Festivalbesucher entgehen ließen.
Fans des klassischen und melodischen Heavy Metals strömten hingegen nach 19 Uhr gen Helsinki Stage, um sich den Auftritt von Thunderstone anzuschauen. Allerdings mussten die Finnen einen recht spontanen Line-up-Wechsel durchführen, denn ihr Bassist Titus Hjelm fühlte sich an jenem Tag nicht gut, so dass kurzerhand Tuomas Yli-Jaskari von der ebenfalls finnischen Band Tracedawn den Bass zur Hand nahm. Präsentiert wurden Songs wie „Veterans Of The Apocalypse“, „Forevermore“ und „Tool Of The Devil“.
Im Anschluss strömten wieder alle gen Hauptbühne, wo Anthrax in der folgenden Stunde das Zepter schwangen – angekündigt durch ein riesiges Banner im Hintergrund der Bühne sowie zwei Pentagramm-Aufsteller. Bereits als das Intro erklang und Nebel über die Bühne gepustet wurde, erhoben die Fans ihre Fäuste. Vor zwei Jahren waren die Amerikaner noch Headliner des zweiten Festivaltages. Diesmal spielten sie als vorletzte Band auf der Hauptbühne, was der Stimmung keinen Abbruch tat. In der Menge bildete sich rasch ein riesiger Circle Pit – zugleich surrte (was man natürlich nicht hörte) eine Kameradrohne über das Gelände, um die Action im Pulk und auf der Bühne von oben festzuhalten. „Good evening!“, begrüßte Sänger Joey Belladonna die Menge schließlich persönlich. „Good to be back in Helsinki.“ Allerdings zeigte sich das Wetter über der Stadt mittlerweile nicht mehr ganz so von seiner Schokoladenseite. Auf einmal gab es einen kleinen Wolkenbruch und viele flüchteten sich unter das Zeltdach der Helsinki Stage oder gen Inferno Stage, wo derweil Jess And The Ancient Ones ihren Psychodelic Rock präsentierten – danach spielten noch die Thrash-Metaller Havok, bei denen sich wie bei Anthrax ein Circle Pit bildete, wenn auch nur ein kleiner.
Noch während die letzten Töne von Anthrax ausklangen, wurde auf der Zeltdachbühne bereits die beliebte finnische Metal-Band Stam1na angekündigt. Und diese zog wahrlich viele Leute an, was garantiert nicht nur dem plötzlich nassen Wetter und Dach über dem Kopf geschuldet war. In Deutschland zeigten die fünf Herren bereits auf Touren mit etwa Apocalyptica und Insomnium Präsenz. In Finnland belegen sie mit ihren Alben regelmäßig hohe Plätze in den Charts. Beim Tuska wiederum enterten Stam1na in orangefarbenen Outfits die zumeist eingenebelte Bühne und legten mit fetten Metal-Riffs los, was sofort Circle Pits hervorrief. Trotzdem wagte ein Crowdsurfer das Bad in der Menge. Sänger und Gitarrist Antti Hyyrynen, der sich alsbald seines Oberteils entledigte, richtete zwischendurch immer wieder das Wort ans Publikum – allerdings nur auf Finnisch. Er war übrigens auch bei der Heatseeker-Auftaktshow im Tavastia, genauso wie andere finnische Musiker das diesjährige Tuska besuchten, obgleich sie nicht selbst dort spielten: so etwa Teemu Mäntysaari von Wintersun, Bazie von The 69 Eyes, Markus Laakso von Kuolemanlaakso oder auch Aksu Hanttu von S-Tool und Entwine. Selbst Ville Valo von Him soll gesichtet worden sein…
…und zwar bei der Show des Samstag-Headliners Ghost. Die Schweden spielten von 22:30 bis 23 Uhr auf der Radio Rock Main Stage vor einem gut gelaunten Publikum, das sich auch durch das plötzlich aufziehende Gewitter nicht vom Bühnenrand vertreiben ließ. Sänger Papa Emeritus III und seine „Nameless Ghouls“ wussten ihre Schafe gekonnt mit Songs wie „Year Zero“, „He Is“ und „Ritual“ zusammenzuhalten. Einmal mehr filmte eine Drohne das ganze Spektakel aus der Vogelperspektive. Und diejenigen, die irgendwann dann doch vor der gen Ende hin einsetzenden Regenschauer unters Zeltdach flüchteten, konnten immerhin aus der Ferne die Show über die beiden riesigen Leinwände rechts und links von der Main Stage mitverfolgen. Papa – der wie immer einen festlichen Umhang sowie eine Bischofsmütze mit umgedrehtem Kreuz trug und dessen schwarz-weiß geschminktes Gesicht einem Totenschädel glich – schwenkte zwischendurch ein Weihrauchgefäß auf der Bühne und richtete immer wieder das Wort ans Publikum, wirkte ansonsten aber etwas steif. Da ging es bei seinen teuflisch maskierten Musikern schon dynamischer zur Sache. Und am Ende feuerten Ghost noch eine Papierkanone ab, die für Geldregen sorgte.
Text: Lea Sommerhäuser
Fotos: Sophie Müller / CouchPhotato & Lea Sommerhäuser / Aurora Borealis Photography
Galerie 1: CouchPhotato
Galerie 2: Aurora Borealis Photography
10 July 2016 Dark Aurora