Nocturnal Culture Night (07.-09.09.18, Deutzen) – Tag 3
Sonntag, 09.09.2018: Mit ein bisschen Wehmut ging es dann am Sonntag zum letzten Mal für diese Festivalsaison nach Deutzen und ja, der Abschied von der Outdoor-Saison ist ein wenig schmerzhaft. Jetzt heißt es wieder in Hallen aneinander quetschen und lange Laufwege ohne frische Luft in Kauf nehmen.
Die angeknackste Laune hoben dann aber Harmjoy ziemlich schnell wieder. Die Band, die sich selbst mit „dark themed dance music“ beschreibt, besteht aus Olaf Reimers, den man von Tyske Ludder kennt und Dan von Hoyel, den der eine oder andere vielleicht aus seinen Suchen auf einschlägigen Erotikportalen kennt, es aber nicht zugeben möchte. Angezogen und perfekt gestylt stand Dan auf der Bühne und hat andere Sachen performt als sonst in seiner Kink University. Schieben wir den ganzen Erotikkram mal beiseite: Harmjoy machen soliden, knackigen Synthpop, der durch die optische Erscheinung von Dan von Hoyel aufgewertet wird. Er ist kein Synthie-Babyface und das ist auch gut so, weil das der Band einen riesigen Wiedererkennungswert gibt. Dem Publikum hat es sichtlich gefallen und das Duo dürfte den einen oder anderen Fan an diesem Sonntagnachmittag dazugewonnen haben.
Auf Empfehlung anderer ging es dann zu Rue Oberkampf. Dementsprechend wenige Erwartungen gab es an die Band, dass die Münchner aber richtig cooles Zeug machen, war dann eine positive Überraschung. Wer kein französisch spricht, versteht von den Texten nichts, macht aber auch nichts, man kann auch einfach Frontfrau Julia bei dem zugucken, was sie da auf der Bühne macht. Der Mix aus Coldwave, Minimal und EBM kam auf jeden Fall richtig gut an. Für einige wird diese Band wohl die Entdeckung des Sonntags gewesen und das in diesem Jahr erschienene Debütalbum „Waveclash“ auf die Kaufliste gerutscht sein.
Auf der Suche nach ein paar Getränken, konnten wir noch Assemblage 23 lauschen, bevor es dann zu Red Cell auf die Amphibühne ging. Das Trio aus Schweden ist eine weitere positive Entdeckung auf dem NCN, machen sie doch eingängigen klassischen Synth Pop mit der charttauglichen Schwedenwürze.
Natürlich gibt es Bands, da braucht man nur einen Songtitel in die Runde zu werfen und jeder weiß sofort, um wen es sich handelt. Klar hat auch jeder Konzertveranstalter, die eine oder andere Band auf der Wunschliste, die leider nicht mehr realisierbar ist, da sich die Band bzw. die Künstler leider (aus welchen Gründen auch immer) voneinander getrennt haben.
Dieses Schicksal teilen auch die beiden Sängerinnen Claudia Brücken und Susanne Freytag, die sich Mitte der 80er-Jahre nach Hits wie „Duel“, „Dr. Mabuse“ oder „p:Machinery“ von ihren ehemaligen Bandkollegen der Band Propaganda trennten. Mit D:uel – Claudia Brücken and Susanne Freytag perform „A Secret Wish“ kam das Projekt nun auf die große Amphibühne der Nocturnal Culture Night 2018, um den Zuschauern diese Klassiker darzubieten und ihnen neues Leben einzuhauchen. Nette Perfomance, die man sich gemütlich auf dem zuvor ergaterten Sitzplatz anschauen konnte.
England kann nur Post Punk und Pop? Denkste! Die in Leeds gegründeten I Like Trains sind der beste Beweis dafür. Ob man sie jetzt im Post Rock oder wie sie sich selbst als „melodramatic popular song“ beschreiben möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Fakt ist, dass die fünf Briten unheimliche Emotionalität und Energie auf die Bühne bringen. Das fängt bei den Gitarrenarrangements an, geht über die Mimik, die genau dem Text entspricht und so einfach mitfühlen lässt und hört bei der Beleuchtung der Bühne auf. Nicht unbedingt Musik zum Party machen, aber Musik zum nachdenken, eindenken und lieb haben.
Zu guter Letzt und von I Like Trains in Gitarrenmusiklaune versetzt, begann das Warten auf Zeromancer. Vor dem Konzert wurden Leuchtstäbe verteilt, weil Dan Heide (Gitarre) seinen letzten Arbeitstag bei der norwegischen Rockband hatte und gebührend verabschiedet werden sollte. Wurde er dann auch, aber zuerst folgte ein Qualitätsbeitrag aus dem hohen Norden. Schon auf dem diesjährigen Wave Gotik Treffen rissen Zeromancer alle mit, dass es am Sonntagabend dann auch nicht anders sein würde, war zu erwarten. Es gab auf dem kompletten Festival keinen Frontmann, der so charismatisch, so perfekt in dem was er auf der Bühne treibt, so energetisch und so ansteckend war wie Alex Møklebust. Jede Pose sitzt perfekt und das Publikum dankt es mit frenetischem Erfolg. Ein würdiger und fulminanter Abschluss für die Nocturnal Culture Night!
Fazit: Die Parkplatzlösung ist in Ordnung, man muss nicht lange suchen und auch später, wenn es dunkel ist, hat man es nicht weit zu seinem Auto. Gerade als Neuling auf dem Kulturparkgelände ist es etwas verwirrend, sich zurecht zu finden. Die Essenpreise sind human und auch das Getränkeangebot preislich total in Ordnung. Einzig die Pipiflatrate nervt etwas. Zwar gibt es zwei Dixiklos direkt vor der Toilettenanlage möchte man diese aber nicht benutzen, muss man zahlen. Ob zwei Dixiklos für ein komplettes Festival jetzt die Lösung sind, soll an der Stelle offen bleiben. Die Extragebühren für die Toilette sind aber nicht gerechtfertigt, denn die hygienischen Zustände sind eher mittelmäßig und eine Putzfrau, die für alles den ganzen Tag den selben Lappen nimmt, ist eben auch mehr gut gemeint als gut umgesetzt. Gesaqmeindruck: Das Festival ist wirklich zuckersüß und die Bandauswahl ganz wundervoll. Ein dickes Lob an den Veranstalter, über den Tellerand hinauszuschauen und Acts zu buchen, die man nicht so oft, bzw. noch gar nicht zu Gesucht bekommen hat.
30 September 2018 Dark Aurora