Dark Tranquillity/Amoral/Acyl/The Lehmann Project (23.11.2014, Köln, Werkstatt)
Gut drei Wochen waren Dark Tranquillity auf Europa-Tournee unterwegs und absolvierten ihr Abschlusskonzert am 23. November 2014 in Köln. Allerdings beehrten die schwedischen Melodic-Death-Metaller den Club „Werkstatt“ nicht allein: Mit von der Partie waren zudem das italienisch-russische Metal-Projekt Lehmann, die algerischen Ethnic-Experimental-Metaller von Acyl sowie das finnische Melodic-Metal-Quintett Amoral. Es versprach also ein multinationaler Abend zu werden, an dem es einige Überraschungen geben sollte, wie Amoral-Gründer und Gitarrist Ben Varon zuvor im Interview verriet.
Schließlich war es der letzte Konzertabend der Tour. Eingeläutet wurde er von Sänger Lehmann und seinen fünf Mitstreitern. Sie taten sich allerdings ein wenig schwer, die bereits zahlreich erschienenen Gäste von ihrer Musik zu überzeugen. Zwar bekamen die Herren nach jedem Song – die alle dank Einsatz dreier E-Gitarren recht druckvoll aus den Boxen knallten – einen warmen Applaus spendiert, aber so richtig bewegen wollte sich (noch) niemand. Die Band selbst konnte es auch nicht so richtig vormachen, da es auf der kleinen Bühne kaum Bewegungsfreiheit gab. Interaktion mit dem Publikum war somit nur in Form von Worten möglich, die der Frontmann – mit Sonnenbrille auf der Nase – immer wieder in die Menge warf. Man sei traurig, dass es bereits das letzte Konzert ist, aber glücklich, in Köln spielen zu dürfen. Doch nach knapp 30 Minuten war die Spielzeit auch schon rum…
…und Acyl versuchten als nächstes ihr Glück, die Zuschauer für sich zu gewinnen. Es gelang ihnen ein stückweit besser als der ersten Support-Band, obgleich ihre Mischung aus Metal sowie experimentellen und ethnischen Klängen etwas gewöhnungsbedürftig erschien. Aber vielleicht war gerade dieses „Neue“, dieses „Ungewohnte“ der ausschlaggebende Punkt, dass Interesse geweckt wurde. So kam es vor, dass die fünf algerischen Musiker plötzlich inmitten eines Metal-Songs zu traditionellen Percussion-Instrumenten griffen, im Takt klatschten oder ein paar Tanzschritte auf der Bühne vollzogen.Und man mag es kaum glauben: Das Publikum machte mit, obwohl diese tänzerischen Einlagen fast einem Fitnesskurs gleich kamen – mit den Musikern als „Vortänzer“ auf der Bühne. Zum Ende hin des gut 30-minütigen Auftritts betrat plötzlich ein Teil von Amoral die Bühne, um Acyl für einige Takte an den traditionellen Instrumenten zu unterstützen. Eine schöne Überraschung! Wer später dann noch mehr über jene Instrumente erfahren wollte, hatte am Merchandise Gelegenheit dazu, wo die Band nach ihrer Show geduldig Rede und Antwort stand.
Kurz vor 21 Uhr war es dann Zeit für Amoral aus Finnland. 1997 als Technical-Death-Metal-Band gestartet, bezeichnen die fünf Musiker ihre Musik heutzutage als „Classic Rock of the 21st Century“. Am Mikrofon steht seit 2008 Sänger Ari Koivunen, der im Jahr davor die finnische Pop-Idol-Show gewonnen hatte. Der Sängerwechsel machte es der Band nicht gerade einfach, zumal Vorgänger Niko ein wahrer Growler ist, Ari aber hauptsächlich clean singt. Dadurch verloren Amoral viele ihrer alten Fans, wie Ben im Interview erzählte. Gleichzeitig gewannen sie aber auch neue Fans hinzu, denen klarer Gesang lieber ist. Beim Kölner Publikum schien dieser auch recht gut anzukommen. Ari – der die Nacht zuvor arg gefeiert hatte und noch ein wenig blass um die Nase schien – hatte seine Stimme vollends unter Kontrolle, ließ zwischendurch aber auch mal den einen oder anderen Growler hören. Derweil überzeugten die beiden Gitarristen Ben und Masi mit einem ausgeklüngeltem Gitarrenspiel. Vor allem in den längeren, progressiven Instrumentalparts konnten sie zusammen mit Bassist Pekka und Drummer Juhana ihr Können unter Beweis stellen. Beim letzten Song „On The Other Side Pt. I“, dem Opener ihres aktuellen Albums „Fallen Leaves & Dead Sparrows“, wurden die Finnen von Acyl an ihren ethnischen Instrumenten unterstützt, was dem Lied einen ganz eigenen Flair verpasste.
Schließlich wurde es Zeit für die Headliner des Abends: Dark Tranquillity. Als der obligatorische Countdown auf der Leinwand im Hintergrund der Bühne erschien, wurde es merkbar unruhig im Publikum. Mit freudiger Erwartung rückten die Fans nun enger zusammen und zählten von 10 bis 0 runter. Dann ging alles recht fix: Die Schweden enterten die Bühne und starteten ihre gut 80-minütige Show mit dem Kracher „The Science Of Noise“ von ihrem aktuellen Album „Construct“. Im Nu verwandelte sich der kleine Club in einen brodelnden Hexenkessel und niemand stand mehr still. Die Fans hüpften, bangten und drückten immer wieder nach vorne, sodass man teilweise echt Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben. Am besten machte man also einfach mit oder flüchtete in die Randbereiche. Frontmann Mikael Stanne und seine Musikerkollegen Niklas Sundin (Gitarre), Martin Henriksson (Gitarre), Martin Brändström (Keyboard) und Anders Jivarp (Schlagzeug) freuten sich sehr, dass sich das Publikum so aktiv zeigte. Das Grinsen war an jenem Abend nicht mehr aus ihren Gesichtern wegzubekommen. Als Dankeschön für die entgegengebrachte Leidenschaft spielten Dark Tranquillity einen Hit nach dem anderen, darunter z.B. „Damage Done“, „Terminus (Where Death Is Most Alive)“, „Focus Shift“, „Uniformity“, „Final Resistance“, „Endtime Hearts“ und „Misery’s Crown“ – stets begleitet von ein paar Videosequenzen auf der Leinwand sowie einer gut abgestimmten Lichtshow.
Als Erfrischung zwischendurch – schließlich war es in der Werkstatt mittlerweile recht warm geworden und die ersten Reihen bekamen immer wieder ein paar Schweißtropfen ab – gönnten sich die Musiker einen Schluck Veltins. „Good beer“, kommentierte Mikael, nur um kurz darauf wieder gesanglich loszulegen. Beim ruhigeren Stück „The Mundane And The Magic“ ließ er aber auch mal einen weiblichen Fan aus der ersten Reihe ans Mikrofon, um von ihr den Chorus singen zu lassen. Eine nette Geste! Darüber hinaus ging der Frontmann aber auch immer wieder per „Shake Hands“ mit dem Publikum auf Tuchfühlung und zeigte sich begeistert, als plötzlich zwei Schweden-Flaggen geschwenkt wurden. Nicht nur einmal bedankte er sich für den großen Zuspruch. Zugleich verkündete er aber auch, dass es an jenem Abend keine Zugaben geben werde, sondern man stattdessen einfach ein bisschen länger spielen würde. Letztlich verabschiedeten sich Dark Tranquillity nach gut 80 Minuten von der Bühne – schüttelten zuvor aber nochmals zahlreiche Hände. Die anschließenden Zugaberufe blieben tatsächlich unerhört. Doch wirklich enttäuscht schienen die Fans deshalb nicht zu sein, immerhin hatte man ihnen in der Kölner Werkstatt ein volles Programm mit vier Bands geboten. Ein definitiv würdiger Tourabschluss!
Text & Fotos: Lea Sommerhäuser
25 November 2014 Sascha Blach