Depressive Age (Berlin, TheARTer Galerie, 25.04.2014)
Nachdem sie vier erfolgreiche Alben veröffentlicht hatten, lösten sich die Berliner Depressive Age nach „Electric Scum“ von 1996 sang- und klanglos auf. Bis auf einen gescheiterten Versuch von Sänger Jan Lubitzki, die Band vor etwa zehn Jahren zu neuem Leben zu erwecken, war es seitdem still um die Musiker. Bis jetzt, denn Ende April traten Jan Lubitzki und Bassist Tim Schallenberg erstmals wieder gemeinsam auf.
Carsten Schmidt, der Besitzer der TheARTer Galerie, hatte die beiden Musiker überredet, für einen Akustikgig wieder zusammen zu kommen, nachdem er Jan als Drummer von Silberschauer bereits öfter zu Gast in seinem Laden hatte. Tim spielte an diesem Abend Akustikgitarre, Jan sang und zusätzlich hatten sie ihren Kumpanen Maik mitgebracht, der Percussion spielte. Würden die Songs, die sich auf Tonträger irgendwo zwischen Thrash- und Modern-Metal bewegen, so reduziert funktionieren? Oh ja, und wie! Denn schon beim Opener „Beyond Illusions“ wurde deutlich, dass Jan über die Jahre nichts von seiner Wahnsinnsstimme eingebüßt hat. Nahezu chronologisch ging es weiter mit „Innocent In Detention“ und „Autumn Times“. Jan führte tagebuchartig durch das Programm und verlas zu jedem Song einen fiktiven Eintrag. Zu „Autumn Times“ erzählte er beispielsweise, dass sich seine Schwester mit 13 das Leben genommen hatte, um der Familie zu zeigen, wie es ohne sie sei. Nun habe er jeden Herbst Angst um seine eigene Tochter. Betroffenes Schweigen im Publikum. Es folgten „Where“, „Berlin“ und „Lying In Wait“ aus dem gleichnamigen Album, gefolgt von den „Symbols For The Blue Times“-Stücken „Hills Of The Thrills“ (eine Nummer, die auf Psychopharmaka-Experimente der beiden Musiker zurückgeht), „World In Veins“ und „Hut“. „Subway Tree“ kündigte der Sänger mit den Worten „einfach ein Liebeslied“ an, und mit „Port Graveyward“, „Friend Within“, „Sorry Mr. Pain“, „Mother Salvation“ und „Rusty Cells“ gab es noch eine ganze Reihe weiterer Songs aus dem „Symbols …“-Album, das somit den Hauptteil der Show stellte. Viele Stücke waren deutlich umarrangiert, vereinfacht und gekürzt worden und doch waren sie alle unverkennbar. Schließlich gab es mit „Remember (Je T’aime, Taverne Noir)“, „Featherflute“, das Jan als „Kilja“ ankündigte, worauf ihm Tim verbessernd ins Wort fiel, und dem obligatorischen Titelsong auch noch drei Songs aus dem „Electric Scum“-Album, eh sich die drei Musiker unter tosendem Applaus verabschiedeten. Das Publikum indes wollte mehr und so gab es mit „Garbage Canyons“ zumindest eine Zugabe, eh in der mittlerweile zur Sauna avancierten Galerie die Türen aufgerissen wurden, sodass Frischluft rein konnte. Mit etwas Glück ist die Formation demnächst im Vorprogramm von Orphaned Land noch einmal an derselben Stelle zu sehen. Und ansonsten? Ist eine Reunion im kompletten Line-up denkbar? Jan hielt sich dazu im Gespräch nach der Show bedeckt und betonte, man wolle sich den guten Ruf von früher nicht kaputt machen, daher sind ausgedehnte Tour- und Studioaktivitäten wohl kein Thema. Schade eigentlich. Doch so oder so, als nostalgische Zeitreise war dieser Abend allemal ein unvergessliches Erlebnis.
Text: Sascha Blach
Fotos: Christopher Siegemund (www.nebelblick.de)
27 April 2014 Sascha Blach