Die Kammer – Steamtropolis (04.05.2016, Bochum, Matrix)
Der Steampunk eroberte am 4. und 5. Mai die Bochumer Matrix. Am Eröffnungsabend des Steamtropolis-Events gab es musikalische Darbietungen von gar „vortrefflichen Livekapellen“, von Aeronautica, La Frontera Victoriana und als besonderes Highlight Die Kammer in Komplettbesetzung. Ein Rahmenprogramm sowie ein viktorianischer Markt rundeten den Abend ab.
Die Kammer, zuletzt im Februar auf Tour, um ihr neuestes Album zu präsentierten, spielten extra im Rahmen des Steamtropolis noch einmal auf und präsentierten in einem fast zweistündigen Set zahlreiche Stücke ihres dritten Albums „Solace In Insanity“, abgerundet durch Werke der ersten beiden Alben. So bot sich den Gästen eine abwechslungsreiche Kammer, die vor allem eins kann: Geschichten rund um das Leben und die Liebe erzählen. Seit dem letzten Album neu ist ein weiteres Bandmitglied, Ingo Römling, der mit seinem Bass das Klangbild wunderbar vervollständigt.
Die Performance
Als die ersten Töne des Openers „Solace In Insanity“ erklingen, wird es mucksmäuschenstill im Saal. Die Kammer zieht mich schon jetzt – mal wieder – in ihren Bann. Dann nimmt sie das Publikum mit auf den Festplatz – der Zirkus ist in der Stadt. Max schlüpft in die Rolle des Zirkusdirektors, dieses Bild habe ich direkt vor Augen, und präsentiert eine sehr verspielte Kammer, die mit „Sophie´s Circus“ neben den gewohnten Instrumenten nun auch eine Melodika zum Einsatz bringt, welche die Verspieltheit unterstreicht. Wer kennt dieses Instrument nicht aus der eigenen Kindheit?
Nach dieser Ausgelassenheit folgt ein ernsteres Thema und Die Kammer zeigt hier, wie sie eine Geschichte mit Lebensphilosophie verbindet. „The Drunk Welshman“ handelt von einem Waliser, der bei einem abendlichen Spaziergang ein junges Mädchen auf einer Brücke stehen sieht und nun versucht, sie vorm Springen zu bewahren, indem er ihr erzählt, dass das Leben schön ist. Man möge dem Tod wenig Raum einräumen. Max zeigt sich „berührt“ vom Publikum, welches den Refrain mitsingt.
Mit „The Line Of Last Resistance“ kommt nun wieder richtig Bewegung in unsere Kammer, da bleibt kein Fuß stehen. Danach muss Die Kammer eine Lanze für die Gentlemen brechen und wartet mit einem Tango auf, passend dazu eingetaucht in rotes Bühnenlicht. Hierfür gibt uns Max den „Galant Enticer“, den Verführer, der den Frauen ja kein Leid will. Dies ist die andere Seite der Geschichte um die Sinister Sister, zu der wir später noch kommen.
Das Wort geht an Matze, der lobende Worte über die aufwendigen Outfits des Publikums verliert. Er nimmt alle mit auf einen Jahrmarkt, passend zum Steampunk, und leitet in die Geschichte vom „Gingerbread Heart“ ein. Diese Liebesgeschichte handelt von einem Jungen, der ein Mädchen mag und ihr ein Lebkuchenherz kauft. Was er nicht weiß, ist, dass dieses Herz leider verwunschen ist und der Fluch dann eintritt, wenn das Herz angebrochen wird. Eine herzzerreißende, tragische Geschichte.
Nun werden auch die Kerzen auf der Bühne angezündet, die Lichter im Dunkeln stehen für Lebensfreude und die Lichtblicke. Max zieht die Metapher zum „kleinen“ Geburtstag, Tage, an denen wir uns bewusst werden, dass wir leben. Der Song „Mirror“ geht live immer besonders unter die Haut, das Publikum stimmt beim Refrain mit ein.
Nach diesen ernsten Tönen versucht sich Max nun an der Erklärung der nächsten Geschichte und betont dabei, dass es sich zwar um einen Wiener handelt, sie aber keinesfalls autobiografisch zu verstehen ist. Im Song „Fairy On The Wire“ trifft dieser Wiener in Paris eine junge Frau, die überzeugt davon ist, eine Fee zu sein. Der Song hört sich genauso farbenfroh an, wie der Titel klingt. Verliebt geht es weiter mit „Endangeroued Memories“, alle werden in Erinnerungen versetzt, wie es war, mit 16 verliebt zu sein. Diese Erinnerungen gilt es festzuhalten, aber wie? Danach gibt Himmi (Oliver Himmighofen) den Takt zum tanzbaren „Slipping Around The Corner“ an, in dessen Refrain das Publikum einmal mehr einsteigt.
Im folgenden, tanzbaren Song „Carnival Of The Peculiar“, der nicht umsonst schon in den Gothic-Charts ist, kommt die berühmte „Tuba Of Death“ der Kammer ganz besonders gut zum Einsatz. Hier bleibt kein Fuß neben dem anderen stehen. Die Kammer beweist es mal wieder, sie kann auch richtig „rockig“.
Bevor sich der Abend dem Ende nähert, fehlt aber noch die wahre Geschichte der „Sinister Sister“. Wir erfahren nun auch, wie die Protagonistin sich am galanten Verführer eingangs rächt. Danach verlässt Die Kammer die Bühne, nicht jedoch, ohne wiederzukehren. Denn eins ist Tradition: Der Gründungssong der Kammer „The Orphanage“ hat bisher auf keinem Konzert gefehlt. Die Kammer-Fans kennen die Geschichte um Sophie, die sich auf die Suche nach der Kammer begibt. Zuletzt zeigt die Truppe mit „Sedlaczech“ auch noch eine weitere, ganz neue Seite mit dem „Beat des Balkans“, wie es die Musiker selbst beschreiben.
Den Ausklang des Abends nutzt Die Kammer, alle Bandmitglieder noch einmal gebührend vorzustellen und kündigt an, auch danach noch auf ein Gläschen anzutreffen zu sein. Das Publikum verabschiedet sich gebührend mit tosendem Applaus.
Text & Fotos: Sophie Müller / CouchPhotato
19 May 2016 Dark Aurora