Nocturnal Culture Night (07.-09.09.18, Deutzen) – Tag 1
Freitag, 07.09.2018: Was die Anreise betrifft, so war der Weg aus dem Westen über Kassel wohl wesentlich strapaziöser als den Parkplatz und das Festivalgelände zu finden. Denn so groß ist Deutzen nicht und noch dazu ist alles bestens ausgeschildert und an den Parkplatzeinfahrten finden sich nette menschliche Wegweiser. Ein wenig versteckt, an einer Allee von Bäumen entlang, direkt neben einer Schule befindet sich der Kulturpark Deutzen, in dem die Nocturnal Culture Night auch in diesem Jahr stattfand.
Schnell durch das Einlasszelt geschlüpft und geradeaus auf die Weidenbogenbühne zu, wo gerade die Krupps spielten. Wer die Band um Mastermind Jürgen Engler noch nie live gesehen hat, sollte das unbedingt nachholen. Von den vorherigen Clubkonzerten ordentlich warm gespielt, rockte die Band kurz vor 19.00 Uhr das Leipziger Umland. Die Mischung aus EBM, harten Riffs und einer ordentlichen Portion Energie, die von Jürgen Engler direkt auf das Publikum übergeht, machen die Düsseldorfer Formation auf jeden Fall zu einer der Bands, die man besser auf seinen musikalischen Speiseplan stellen sollte. Wenn eine Setlist mit „Dawning Of Doom“ beginnt und über „Robo Sapien“ und „Nazis auf Speed“ auch „Fatherland“ vorzuweisen hat, kann man auch gar nicht meckern. Und falls es doch Setlistmeckerer gab, wurden die von Jürgen Englers Auftritt und seinem freudestrahlenden Gesicht einfach weggefegt.
Einen kurzen Weg zwischen Bäumen entlang befindet sich ein kleiner Platz mit Bühne, der Kulturbühne betitelt wurde. Ein verschüttetes Bier und eine Wartezeit mit interessanten Gesprächen später betraten dann The Devil and the Universe die Bühne – oder kurzum die Ziegentrommler. Wobei diese Bezeichnung der österreichischen Band auch nicht wirklich gerecht wird. Fakt ist, dass The Devil and the Universe tatsächlich Ziegenmasken tragen und tatsächlich trommeln. Kreative bis verstörende Hintergrundvideos mit mystischen Ritualen und Beschwörungen und natürlich sich selbst mit den Masken rundeten den Auftritt ab. Musikalisch liegen Ashley Dayour und David Pfister irgendwo zwischen Ambient und Minimal Wave mit einem großen Einfluss von Horrorfilmen und okkulten Themen. Muss man mal gesehen haben, wenngleich eine spätere Spielzeit für die Sichtbarkeit der Videos von Vorteil gewesen wäre. Wärendedessen gab die norwegische Band Gothminister ihre Musik auf der Amphimühne zum besten, die wir so leider verpassten. Wenigstens haben wir jeaber ein paar Bilder für euch.
Zurück durch die inzwischen leicht beleuchtete Baumlandschaft, hieß es sich einen Sitzplatz bei The Beauty of Gemina ergattern und Michael Sele samt fluffiger Frisur einfach nur zuhören. Von „Ghost Prayers“ gab es den Eröffnungssong „All Those Days zu hören, den der Liechtensteiner Fronter mit teilgeschlossenen Augen zum Besten gab. Dass die Band mit Vollblutmusikern besetzt ist, merkt man definitiv. Alles sitzt perfekt, alles klingt perfekt und auch die in blaues Licht gehüllte Bühne passte perfekt zur musikalischen Darbietung. Man könnte die Musik als Traummusik bezeichnen, auch wenn Sele zwischendurch „Are you ready for Rock’n’Roll?“ fragte und das Publikum sich lautstark bemerkbar machte. Ganz zu Ende lauschen ging dann nur aus der Ferne, der Hunger machte sich bemerkbar und so wurde das Essensangebot ausgekundschaftet, das von Kräppelchen bis Fisch wirklich alles zu bieten hatte. Die Wahl fiel an diesem Abend auf ein Lachsbrötchen, das entgegen der landläufigen Meinung zum Thema „Fischbrötchen am Abend sind bestimmt schon alt“ wirklich frisch und lecker war.
Frisch gestärkt ging es weiter zur dritten von insgesamt vier Bühnen auf dem Gelände: der Parkbühne. Gut gefüllt war es da und im Hintergrund schallte Clock DVA. Da es vorn dicht gedrängt war, fiel der Entschluss darauf, sich einen Platz auf der Mauer zu suchen und dem Auftritt der 1978 gegründeten Band zu lauschen. Elektronische Musik mit Sprachsamples muss man mögen, um bei Clock DVA wirklich mitgehen zu können. Die Musik ist schön, wobei schön auch das einzige ist, was man dazu sagen kann. Sie stört nicht, sie polarisiert nicht, sie war für diesen Moment und die langsam einsetzende Müdigkeit nach einem langen Tag perfekt, um eine Pause zu machen. Man muss auch eine sehr steife Performance mögen, um die Band live gut zu finden. Vielleicht ein Musiktipp für die Fans von Kraftwerk, die ihrer Lieblingsband einmal untreu werden möchten.
Highlight des Abends und Sonnenscheinchen mitten in der Nacht Marc Almond ließ dann aber den inneren Wecker klingeln. Hoch von der Mauer, schütteln und rüber zur Amphibühne gehen, wo gerade noch die letzten Feinheiten auf der Bühne zurechtgerückt wurden. Ja, wir alle kennen und lieben Marc wegen Soft Cell und „Tainted Love“, dabei hat der charismatische Sänger eine beträchtliche Ansammlung an Soloveröffentlichungen vorzuweisen. In Sportjacke, schwarzer Hose und interessantem Schuhwerk begeisterte Herr Almond spätestens dann seine weiblichen Fans als er seine Jacke öffnete. Von Soft Cell-Interpretationen bis zum Cover von Rihannas „Russian Roulette“ und diversen anderen Coverversionen schnulzte sich der Brite durch den Abend. Herzerwärmend für die einen, etwas zu langwierig für die anderen aber auf jeden Fall ultimativ unterhaltsam, was der Gute da so auf der Bühne getrieben hat und ein grandioser Ausklang für den ersten Festivaltag.
30 September 2018 Dark Aurora