Coppelius – Steampunk mit Her(t)z
In ihrem bereits über 200 Jahre andauernden musikalischen Werdegang haben Coppelius schon allerlei erlebt, u.a. die industrielle Revolution, die Entwicklung von Luftschiffen und die Revolutionierung des Reisens, eine zunehmende Beschleunigung des Lebens, aber auch die Erkaltung und Entromantisierung vieler Menschen. All diesen Sujets widmete man auf dem coppelianischen Herrensitz ein Album und nannte es schlicht „Hertzmaschine“. Was es damit auf sich hat, brachten wir in einer Fragerunde mit den Klarinettisten Max Coppella und Le Comte Caspar sowie Cellist Graf Lindorf in Erfahrung.
Luftschiffe und allerlei anderes Maschinenmaterial scheint es den Herren Coppelius auf ihrem neuen Langspieler besonders angetan zu haben. Woher rührt die Faszination?
Max Coppella: Wenn man jahrzehntelang in schäbigen Kutschen gereist ist, dann gefallen einem Litfaßsäulen, oder eben – noch unrealistischer – Luftschiffe als Transportmittel sehr.
Graf Lindorf: Maschinen haben alles verändert. Wir wären nicht, wer wir sind, ohne die technologische Entwicklung. Das trifft wohl kaum auf irgendwen mehr zu als auf uns. Da kann es schon mal passieren, dass man sich in dieses Thema hinein spinnt.
Nun werden einige Menschen angesichts des Artworks sicher laut „Steampunk!“ schreien. Was entgegnen die Musikanten dem?
M.C.: Wenn man mich anschreit, ist von mir keine Antwort zu erwarten.
G.L.: Was sollten wir gegen Steampunk einzuwenden haben? Wenn es den Leuten gefällt und sie uns damit besser in eine dieser mitunter wahnwitzigen Kategorien einordnen können, soll uns das nur recht sein. Im Verlaufe der Jahrhunderte kam es immer wieder vor, dass Kategorien wie Teufelswerk, Heavy Wood, Düsterromantik, Holz-Rock, Gothic Rock usw. (inzwischen wohl auch ADHS-Rock) für uns verwendet wurden. Insofern ist das für uns nichts Neues. Mit dem Wort Steampunk besteht sogar die Möglichkeit, dass man von der Schublade Mittelalter ablässt, die uns schon seit geraumer Zeit quält. Mir kommt es vor, als würde jede Musikrichtung, die vor den Weltkriegen stattfand, automatisch ins Mittelalter gesteckt werden. Ich bin zufrieden, wenn man sich den Namen Coppelius merkt, denn es gibt keine passendere Beschreibung.
Da Coppelius-Tonträger immer randvoll gefüllt sind – auch diesmal wieder peppige 16 Titel –, nehme ich an, Sie haben mit dem Kuss der Muse keine Probleme. Doch gibt es auch bei Coppelius Zeiten der Inspirationslosigkeit?
M.C.: In Bezug auf die Musik kann ich mich darüber nicht beklagen, in jedem anderen Gebiet des Lebens allerdings schon.
G.L.: Das mag manchen Leuten so gehen, bei uns scheinen sechs völlig unterschiedliche Individuen immer wieder für Überraschungen zu sorgen. Worüber man sich eher Sorgen machen könnte, ist die Tatsache, dass immer mehr Dinge und Notwendigkeiten, die mit der Musik nichts zu tun haben, immer wichtiger zu werden scheinen und die Zeit für das Eigentliche auffressen. Insofern hätte ich lieber noch mehr Zeit für Küsse von Musen.
Wie kommt man dazu, fremde Damen durchs Moor zu tragen? Waren beim Komponieren von „Moor“ bewusstseinserweiternde Substanzen im Spiel?
M.C.: Das war sicherlich nur ein Wunschtraum des Comte.
G.L.: Eigentlich geht es doch immer nur um drei Dinge: Sex, Drugs und Copp’n’Roll!
Le Comte Caspar: Es ist ein hoffnungsfrohes Stück. Es geht darum, einfach für jemanden anderes da zu sein. Ohne den Blick auf die Konsequenzen.
Wer Sternenstaub im ewigen Eis sammelt, scheint ein echter Romantiker zu sein. Oder ist das einfach nur der coppelianische Beitrag zum Klimaschutz?
M.C.: Es gibt noch ewiges Eis? Jetzt veralbern Sie uns aber!
G.L.: Mir gefällt die Idee der Romantik in diesem Zusammenhang. Die Schnelligkeit der Zeit und des Vergessens ob der Flut von täglich Neuem lassen mir den Gedanken von ewigem Eis, in dem Erhaltenswertes festgehalten werden kann, wünschenswert erscheinen. Ob Ötzi sich hätte
träumen lassen, durch einen Treffer in die Schulter ein Weltstar zu werden, ohne irgendetwas anderes tun zu müssen als im Schnee zu sterben, darf bezweifelt werden.
L.C.C.: Eigentlich geht es um etwas völlig anderes, die Arktis ist nur Sinnbild für Kälte und Gefrorenheit. Aber ich werde mich hüten, in die persönlichen Interpretationen eines jeden einzelnen Hörers hineinzupfuschen, indem ich preisgebe, was mich zu diesen Worten bewegt hat!
Was ist eigentlich eine „Hertzmaschine“? Eine altertümliche Variante eine Equalizers?
M.C.: Stellen Sie sich einfach etwas vor, womit man ungeliebte Dinge verschwinden lassen kann … also ja, eine Art Equalizer.
G.L.: Da spricht ein einsichtiger Klarinettist! Aber auch hier steckt – jedenfalls für mich – die Idee einer maschinisierten Welt drin, in der die Freiheit der Gefühle und die Sorglosigkeit beim Ausleben selbiger manchmal schwierig erscheinen. Stellen Sie sich z.B. eine sehr emotionale Rede/Äußerung einer wichtigen Persönlichkeit in der Öffentlichkeit vor – ein gefundenes Fressen! Und es gibt genügend Menschen, die unfreiwillig, aber auch freiwillig oder unbewusst an solch eine Her(t)zmaschine angeschlossen sind. Seien wir also dankbar, dass dort wenigsten noch
Hertztrichter angebracht sind.
Hand aufs Her(t)z, wurde auch während der Produktion die eine oder andere Maschine gesprengt, wie Sie es in „Еin Experiment“ besingen?
M.C.: Bei einem Vorhaben wie einer Coppelius-Tonträger-Herstellung deutet die von Ihnen benannte Explosion nicht mal in einem kleinen Bruchteil an, was in mir tatsächlich jedes Mal zerstört wird.
G.L.: Was meinen Sie, warum wir so verarmte alte Herren sind? Jede Produktion verschlingt immer riesige Summen. Denn was bekommt man heutzutage schon aus idealistischen Beweggründen geschenkt? Die Schwierigkeit war indessen, die richtige Mikrofonierung bei der Sprengung sicherzustellen. Das hat Simon Michael aber blendend gemeistert!
Was zeichnet Herrn Michael, den man von Subway To Sally kennen könnte, ansonsten aus, dass Sie ihn erneut einluden, Ihre Musik zu produzieren?
M.C.: Ein ganz besonderer Humor, viel Fleiß, Wissen, Psychiatrieerfahrung und die Freundschaft zu unserem langjährigen Klanggestalter Delay.
G.L.: Und ein großes Maß an musikalischer Kompetenz, fachlicher Raffinesse und Schnelligkeit, Offenheit für eine Band wie uns vor allem! Und nicht zu vergessen: eine gute Kaffeemaschine.
Was sagt eigentlich Bruce Dickinson dazu, dass Coppelius sich für ihre Iron-Maiden-Adaptionen immer nur bei den ersten beiden Maiden-Alben bedienen, auf denen ein gewisser Paul Di’Anno sang?
M.C.: Er ist gewiss neidisch und kompensiert das mit anderen Tätigkeiten, wie dem Fliegen von Fluggeräten. Da kommt in mir die Frage auf, ob er auch mit Luftschiffen Erfahrungen hat.
Nun also „Кillers“ – gesanglich sicher eine große Herausforderung, oder?
M.C.: Bastille trägt genug Energie in sich, das ist eine Kleinigkeit
für ihn, hoffe ich.
G.L.: Da bin ich mir sicher!
„Glad To Be Dead“ ist auch ein gutes Stichwort. Können Sie uns die neugierige Frage beantworten, was uns nach dem Tode erwartet?
M.C.: Natürlich, aber das kostet extra.
G.L.: Entschuldigen Sie bitte! Herr Coppella versucht nur, die teuren Produktionskosten wieder ein wenig hereinzuholen. Aber was meinen Sie denn, woher wir das wissen sollten? Uns ist es schließlich schon seit über 200 Jahre nicht gelungen, uns selbst ein Bild davon zu machen, was einen da erwartet. Ich vermute mal ewige Stille? Ich wünschte, ich könnte wenigstens einen MP3-Player dorthin mitnehmen.
Wenn die coppelianischen Musiker also doch nicht froh sind, tot zu sein, was erwartet uns in den nächsten 200 Jahren von ihnen?
M.C.: Eine Oper, endlich eine Oper, nach so langer Zeit!
G.L.: In der Tat, eine Oper im Musiktheater Gelsenkirchen. Man sagt schon: Die welterste Steampunk-Oper von und mit Coppelius, und das nicht erst in 200 Jahren, sondern schon diesen Herbst. Lassen Sie sich das nicht entgehen! Wer weiß schon, wann die weltzweite Steampunk-Oper geschrieben wird …
Sascha Blach
www.coppelius.de
26 March 2015 Sascha Blach