Deine Lakaien – Elektronische Querdenker

Deine Lakaien – Elektronische Querdenker

Mit „Crystal Palace“ kredenzen Deine Lakaien ihren Anhängern dieser Tage das erste reine elektronische Album seit dem 1996er-Output „Winter Fish Testosterone“. Ware von der Stange gibt es dennoch nicht, denn das Duo Alexander Veljanov (Gesang) und Ernst Horn (Musik) liefert einmal mehr außergewöhnliche Musik fernab aller Konventionen ab. Wir trafen die beiden zum Plausch über die Hintergründe und die Entwicklung der Szene allgemein.

 

Ihr habt in letzter Zeit viele Experimente gewagt, wie zum Beispiel rein akustische Musik oder die Zusammenarbeit mit einem Orchester. Ist „Crystal Palace“ nun der schlichte Gegenentwurf?

 

Ernst: „Ja, die Idee hatten wir ja immer wieder mal. Wir haben ja auch mal ein Konzert unter dem Motto ‚The concert, that never happened before’ gespielt, wo wir nur alte Stücke performt haben, die es noch nie zuvor live zu hören gab, auch von der ominösen silbernen Kassette. Dafür hatte ich auch meinen C64 wieder ausgepackt, der noch 1A lief. Ebenso wie man sagt, ich versuche jetzt mal, ein Album nur mit dem Klavier zu machen, dabei aber alles ausreizt, was möglich ist, haben wir es diesmal mit der Elektronik gemacht.“

 

Fällt es euch mittlerweile schwerer, neue Ideen zu finden als früher?

Alexander: „Die Gefahr, dass man sich wiederholt, ist natürlich bei jedem vorhanden, ob bei Kompositionen, Text, einem Buch oder in der Malerei. Aber es gibt ja auch Künstler, die bewusst immer wieder das gleiche gemacht haben, z. B. die Ramones. Und das wird ja honoriert. Wir hätten unsere Karriere auch so aufbauen können, aber ich fürchte, dann hätten wir uns irgendwann gelangweilt. Und man kann nicht nur die Wünsche der Hörer erfüllen, sonst wären wir wirklich Lakaien. Das schönste Kompliment ist es für uns, wenn uns Hörer schreiben, dass sie nach vielen Jahren einen Song doch noch für sich entdeckt haben, mit dem sie anfangs Probleme hatten.“

 

Ernst, gehst du an das Songwriting für einen Deine-Lakaien-Song anders heran als an einen Helium-Vola-Song?

 

Ernst: „Es ist schon spezifisch für eine Band. Der Ansatz ist jedoch ein ganz anderer, da ich bei Helium Vola selten eigene Texte verwende bzw. nur dann, wenn ich in der Literatur nichts Passendes finde. Helium Vola geht auch viel mehr von geschriebenen Kompositionen aus. Und dann kann man sich immer noch überlegen, wer etwas singt. Bei Deine Lakaien habe ich von Anfang an Alexanders Stimme und seine Bühnenerscheinung im Hinterkopf. Das ist mir eine Hilfe. Bei ‚Forest Enter Exit’ hat dies sogar das ganze Konzept der Platte beeinflusst.“

 

Electro-Bands gibt es wie Sand am Meer, aber die meisten innerhalb der Schwarzen Szene zeigen sich wenig kreativ und liefern eher einen Einheitssound. Was schätzt ihr, woran das liegt?

 

Ernst: „Das hat mehrere Gründe. Heute werden Computer und Plugins sehr günstig angeboten. Viele wählen einfach nur unter den vorhandenen Möglichkeiten aus, anstatt ihre Sounds selber zu basteln. Außerdem habe ich, wenn ich mit jungen Musikern rede, öfter das Gefühl, dass sie schon stark in Marktidiomen denken. Aber wahrscheinlich muss man einfach von vorneherein kommerziell denken, weil es für Musiker wahnsinnig schwer geworden ist. Es gibt so viel und verdienen kann man damit nichts mehr, weil die Musik dank des Internets ja kostenlos zur Verfügung steht. Sich da durchzusetzen, geht dann wahrscheinlich eher über die Optik und indem man das erfüllt, was erwartet wird. Aber ich will auch vorsichtig sein mit der Einschätzung, denn ich komme aus einer ganz anderen Generation.“

Wie siehst du das, Alexander?

 

Alexander: „Es ist eine zweischneidige Sache. Früher waren die Produktionsmittel so teuer, dass viele talentierte Musiker keine Chance hatten, weil ihnen das Geld fehlte. Daher ist es natürlich wunderbar, Produktionsmittel für alle zu haben. Das Problem in Kombination mit dem Internet ist aber, dass heutzutage jeder versucht, unter den anderen Millionen Musikern irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen. Dadurch kämpfen die wirklich talentierten Musiker gegen eine riesige Menge von Untalentierten an, um überhaupt aufzufallen. Die meisten Bands bedienen einfach nur die Standards und wiederholen das, was es eh schon gibt. Auch in der Dark-Wave- und Electro-Szene ist heute alles so standardisiert. Dadurch klingt ein Ding wie das andere und es interessiert sich niemand mehr für Band- und Künstlernamen. Ich glaube, alle Genres haben das Problem, dass die Langlebigkeit von Acts immer schwieriger wird.“

 

Die Labelpolitik ist ja auch eine ganz andere. Wenn heute eine Band experimentiert und ein Album daraufhin floppt, stehen die Chancen gut, dass sie anschließend gedroppt wird.

 

Ernst: „Ja, früher war es bei den Labels Ehrensache, dass sie mit einigen Acts ihr Geld verdienten und das restliche Geld in eher idealistische Projekte investierten. Wenn sich heute etwas nicht trägt, bist du ein Trottel, wenn du dennoch Geld investierst.“

Alexander: „Der Musikmarkt ist aber andererseits auch nicht mehr in solch großem Maße abgängig von den Plattenfirmen. In den letzten Jahren sind auch Künstler ohne Plattenfirma bekannt geworden.“

 

Ernst: „Dann ist man allerdings ein Einzelkämpfer, und wo muss man sich verbreiten? Im Netz! Da stellt sich die Frage, wie bekomme ich mit meinem Song eine Millionen Klicks. Erreiche ich diese, wenn ich ganz unkonventionell Fis-Moll mit C-Dur kombiniere oder wenn ich stattdessen ein Mehrschweinchen ans Kreuz nagle?“

Alexander: „Oder eine nackte Frau. Ja, das ist die Trivialisierung. Aber es gibt ja auch Ausnahmen. Der Trend zur handgemachten Folk-Musik bei der jungen Generation ist z. B. enorm.“

 

Hattet ihr in eurer Karriere viele Hürden zu überwinden, weil ihr nicht kommerziell genug wart? Gab es Labels, die euch verbiegen wollten?

 

Ernst: „Die meisten respektieren es leicht resignierend, dass das bei uns wenig Sinn macht. Aber natürlich gab es Versuche. Ich erinnere mich, dass es zu ‚Into My Arms’ einen Remix gab, der mir nicht gefiel. Aber viele in meinem Umfeld mochten ihn, daher wollte ich Sportsmann genug sein, ihn nicht abzulehnen. Wir hatten Glück, dass die Mitarbeiter von Viva meinten, dass die Originalfassung doch besser zum Video passt. Sonst hätten wir uns noch an dem Remix orientieren müssen, wenn die Nummer ein Welterfolg gewesen wäre. Und wenn man kommerziellen Erfolg hat, steigt natürlich auch der Druck, diesen wiederholen zu müssen. Manche scheitern gerade daran.“

 

Alexander: „Wir waren von Anfang nicht darauf aus, eine Single-Band zu werden. Ich erinnere mich noch, dass wir, bevor wir unser erstes Album selbst gepresst haben, ein Gespräch mit einem A&R von Warner hatten, der uns zu Michael Cretu ins Studio stecken wollte. Der war damals mit Sandra und Enigma ein großer Name. Da bin ich mit Bauchschmerzen aus dem Büro gegangen und wir dachten uns beide, da ist nicht unser Weg. Andererseits gab es zu Zeiten von ‚Kasmodiah’, als wir kommerziell etwas erfolgreicher waren, auch sofort Puristen aus der Schwarzen Szene, die uns angefeindet haben, ohne überhaupt die Musik gehört zu haben. Dabei fand ich unsere Entwicklung von ‚Dark Star’ bis ‚Kasmodiah’ absolut nachvollziehbar. Aber das Problem haben viele Bands.“

 

Ernst: „Selbst, wenn uns ein Label heute ummodeln würde, was sollten sie denn aus uns machen? Für Teenie-Stars sind wir zu alt und als Fantasy-Gestalten taugen wir auch nicht (lacht).“

 

Sascha Blach
Bild: Joerg Grosse Geldermann

www.deine-lakaien.com

10 September 2014

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