Dimmu Borgir – „Symphonisch und episch“
Das lange Warten hat endlich ein Ende! Im April veröffentlichen die norwegischen Symphonic-Black-Metaller Dimmu Borgir ihre DVD „Forces Of The Northern Night“ mit zwei großartigen Live-Auftritten inklusive Orchester. Doch das ist längst nicht alles: Aktuell befinden sich die Musiker mit Produzent Jens Bogren im Studio, um ein neues Album aufzunehmen, das ebenso 2017 veröffentlicht werden soll. Gitarrist und Songwriter Silenoz verriet uns die ersten Details.
NEGAtief: Silenoz, Ende April werden Dimmu Borgir „Forces Of The Northern Night“ veröffentlichen. Wie viel Zeit habt ihr mit der Realisierung dieser DVD verbracht?
Silenoz: Diese DVD sollte eigentlich schon früher herauskommen, doch aus verschiedenen Gründen hat es einfach länger gedauert. Ich glaube aber, es ist gut so, wie es ist. Da wir Ende des Jahres ein neues Album veröffentlichen, bietet es sich förmlich an, die Band mithilfe der bald erscheinenden DVD zurück in die Szene zu bringen. Vielen Fans ist es schwer gefallen, so lange zu warten, doch das war es wert!
NEGAtief: Auf der DVD zu sehen sind eure ausverkaufte Show in Oslo mit dem Norwegian Radio Orchestra & Choir sowie euer Wacken-Auftritt von 2012 mit dem National Czech Symphony Orchestra. Wie kamen beide Kollaborationen zustande? Wer hat den Stein ins Rollen gebracht?
Silenoz: Vor den Aufnahmen des letzten Albums, für das wir auf ein echtes Orchester zurückgreifen wollten, wurden wir vom Norwegian Radio Orchestra / KORK für das Oslo-Konzert angesprochen – das war ein reiner Zufall, dass das Orchester genau zu jenem Zeitpunkt mit uns in Kontakt getreten ist und eine Show mit uns spielen wollte. Wir schlugen daraufhin vor: „Okay, lasst uns einen Deal machen – ihr wirkt auf unserem Album mit und wir spielen später mit euch diese Show.“ So kam das Ganze im Grunde zustande. Es hätte eine teure Angelegenheit werden können, wenn wir von uns aus auf die Herrschaften zugegangen wären, doch da sie uns kontaktiert haben, war es deutlich einfacher.
NEGAtief: Wie habt ihr eure Songs orchestertauglich gemacht? Wer hat sich um die Arrangements gekümmert?
Silenoz: Der Musiker, der die Musik für das Orchester transkribiert hat, wurde von Gaute Storaas unterstützt, der bereits bei den letzten Alben mit uns zusammengearbeitet hat. Und das hat wirklich gut funktioniert. Er war also für den „mystischen“ Part verantwortlich.
NEGAtief: Während der beiden Shows habt ihr die Bühne mit rund 100 Musikern geteilt. Wie oft und insbesondere wo habt ihr mit all diesen Menschen geprobt?
Silenoz: Für die Oslo-Show probten wir in den NRK-Studios, in einem alten Gebäude, das während des Krieges von den Deutschen besetzt worden war. Somit gab es dort jede Menge altes Equipment wie Mikrofone aus den 50ern und solche Dinge – für Technikfreaks wie mich war das ultracool. In Prag war es recht ähnlich: Wir trafen uns alle in einer Art Stadthalle – sie sah aus wie aus der Kommunistenära, haha…
NEGAtief: Was waren die Herausforderungen während der Realisierung des Projekts? Mit welchen Problemen hattet ihr zu kämpfen?
Silenoz: Eigentlich hatten wir bei beiden Shows kaum mit Problemen zu kämpfen. Natürlich brauchte es jeder Menge Vorbereitung, wodurch letztlich viele Probleme vermieden wurden. Ich war positiv überrascht, dass alles so gut geklappt hat, denn es galt so viele Details unter Kontrolle zu haben. Beim Wacken gab es zum Beispiel keinen Soundcheck! Wenn wir als Band allein auf Tour sind, benötigen wir normalerweise eine Stunde für den Soundcheck – und dann bekommt man mit einem gesamten Orchester noch nicht mal fünf Minuten, stell dir das mal vor! So viele Dinge hätten schief gehen können, doch am Ende hat alles ziemlich gut geklappt.
NEGAtief: Welche Reaktionen wurden euch von den Orchestermusikern entgegengebracht? Ich vermute, dass für viele von ihnen Symphonic Black Metal eine ganz neue Erfahrung darstellte…!?
Silenoz: Einige haben sich richtig darauf gefreut, da sie uns von Anfang an kannten, andere waren natürlich skeptisch. Doch nachdem wir mit ihnen durch die Songs gegangen sind und jeder seinen Part kannte, waren alle voll dabei. Verschiedene Leute beider Orchester kamen später zu uns und bedankten sich, dass sie die Möglichkeit hatten, mal etwas ganz Anderes und Herausforderndes zu tun. Das war auch für uns eine große Ehre. Und ich vermute, der rockende Posaunentyp vom Wacken hat nun einen eigenen Fanclub, haha…
NEGAtief: Wer zeichnete hauptsächlich für die großen Bühnenproduktionen verantwortlich? Wer hatte alle Fäden in der Hand?
Silenoz: Wie gesagt, im Grunde war es das Orchester, das mit der Idee zu uns kam. Deshalb hielt es auch die meisten Fäden in der Hand. KORK hat sein eigenes Team, was auch für das tschechische Orchester gilt. Und natürlich sind sie alle sehr organisiert. Ich erinnere mich übrigens an eine lustige Sache während der letzten Probe. Da war ein Typ, der die Tuba spielte, doch mitten in der Probe saß er plötzlich einfach nur da und schlief neben seinem Instrument. Später fragte ich jemanden, was mit dem Typen los sei, und sie erzählten mir, dass er beim Zahnarzt gewesen ist und noch Betäubungsmittel intus hatte. Das gesamte Orchester machte jede Menge Krach, aber er saß einfach nur da, angelehnt an seine Tuba, und schlief tief und fest. Das war wirklich lustig – und beeindruckend, dass er trotzdem zur Probe erschienen ist!!
NEGAtief: Die DVD ist nicht das einzige, worauf sich eure Fans freuen können. Ich habe gehört, dass es in naher Zukunft auch ein neues Album geben wird. Wie ist denn der Stand der Dinge? Befindet ihr euch noch in der Konzeptionsphase oder seid ihr bereits im Studio?
Silenoz: Anfang Februar haben wir das Studio betreten und werden dort noch bis Ende März beschäftigt sein. Meine Gitarrenaufnahmen sind bereits im Kasten und das Schlagzeug ist auch eingespielt. Nächste Woche ist es Zeit für Shagrath, seinen Gesang aufzunehmen. Es entwickelt sich also alles Schritt für Schritt.
NEGAtief: In welches Studio und welchen Produzenten setzt ihr diesmal euer Vertrauen und warum?
Silenoz: Wir haben uns für den berühmten Jens Bogren und seine Fascination Street Studios entschieden. Das war mein Vorschlag, da sowohl Stian (bürgerlicher Name von Shagrath, Anm. des Verf.) als auch ich seine Arbeit lieben und schon immer große Katatonia- und Bloodbath-Fans waren. Daher dachten wir: „Warum nicht mal was komplett anderes ausprobieren?“ Und nachdem wir ihn kontaktiert hatten, meinte er nur zu uns: „Ich bin überrascht, dass ihr euch nicht schon früher gemeldet habt!“ Er wusste sofort, wonach wir suchten. Wir wollten den analogen Old-School-Sound zurückerobern, der nicht zu modern oder oberflächlich ist. Man hört, dass wir diejenigen sind, die dort spielen. Man kann hören, dass hier Menschen am Werk sind – und das, wie das Album klingen soll, ist das einzige, was wir vor den Aufnahmen besprochen und festgelegt haben.
NEGAtief: Es ist schon fast sieben Jahre her, dass ihr euer letztes Album „Abrahadabra“ veröffentlicht habt. Wie klingen Dimmu Borgir denn 2017?
Silenoz: Wie Dimmu Borgir halt im Jahr 2017 klingen, haha. Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass das neue Material Aspekte der letzten Alben aufgreift. Alles, was symphonisch und episch ist, klingt WAHRHAFTIG symphonisch und episch, doch auch die primitive Black-Metal-Seite wird nicht zu kurz kommen und noch schwarzmetallischer als sonst sein. Allerding ist es gut getarnt und wird einfach wie eine normale Weiterentwicklung der Vergangenheit klingen. Ich vermute, dass einige Fans sogar Verbindungen zur „Stormblåst“- oder „Enthroned“-Ära erkennen werden, denn es gibt diverse Gemeinsamkeiten.
NEGAtief: Was waren eure Inspirationsquellen für die neuen Songs – sowohl musikalisch als auch lyrisch? Kannst du uns bereits einige Arbeitstitel verraten?
Silenoz: Wir arbeiten an diesen Songs seit sieben Jahren, doch die letzten Jahre gestalteten sich mehr systematisch. Für eine ganze Weile sammelten wir Material und hatten noch nicht mal den ersten Song fertig, da hatte ich bereits alle Lyrics geschrieben – sie wurden im letzten Jahr fertig. Doch wir hatten zu viele Songtexte – für 13 oder 14 Tracks. Letztlich wird das Album aber nur zehn Lieder umfassen. Wir pickten also die besten Lyrics heraus und schmolzen sie alle zusammen.
NEGAtief: Welche Rollen spielen an dieser Stelle der Schola-Cantorum-Chor, Jock Loveband und Gaute Storaas? Ihr habt kürzlich ein Foto auf Facebook gepostet…
Silenoz: Sie spielen bei all dem eine signifikante Rolle. Auch wenn wir auf diesem Album kein echtes Orchester verwenden, so benutzen wir immerhin echte Orchester-Samples und deshalb hört es sich so an, als würde ein echtes, komplettes Orchester spielen. Allerdings wollten wir auf einen echten Chor zurückgreifen, da er dem Sound eine ganz neue Dynamik verleiht. Sobald ein Chor mehr als nur diese „Aah aaaah ahhhh“-Töne von sich gibt, MUSS man einfach echte Personen ans Werk lassen, damit es menschlich klingt. Und an dieser Stelle bin ich wirklich glücklich mit dem Ergebnis.
NEGAtief: Wie kommt ein Dimmu-Borgir-Song eigentlich grundsätzlich zustande?
Silenoz: Es gibt da keine spezifische Formel, doch für gewöhnlich treffen wir uns und jedes Bandmitglied bringt eigene Ideen ein und dann werfen wir alles in den Mixer. Es gibt keinen Hokuspokus! Wir behalten einfach nur alles, wovon wir denken, dass es cool klingt, und rangieren alles aus, womit wir nicht arbeiten können.
NEGAtief: Wann erscheint das neue Dimmu-Borgir-Album?
Silenoz: Das offizielle Veröffentlichungsdatum können wir noch nicht enthüllen, doch das wird im Sommer geschehen.
Interview & Live-Foto: Lea Sommerhäuser
10 March 2017 Dark Aurora