Draconian – „Schlafen ist ein bisschen wichtiger als Sightseeing“
Das letzte Konzert ihrer Co-Headliner-Tour mit Omnium Gatherum absolvierten die schwedischen Dark-/Doom-Metaller Draconian am 5. März 2016 im kleinen Club Helvete in Oberhausen. Vor der Show traf ich Growler Anders Jacobsson und Sängerin Heike Langhans zu einem Gespräch über die Tour-Highlights, peinliche Momente auf der Bühne sowie das Thema Seuchenverbreitung im Bus.
NEGAtief: Heute steht die letzte Show eurer Tour an: Seid ihr erleichtert oder traurig?
Heike: Ich denke, ich bin ein bisschen erleichtert, denn es war alles sehr chaotisch. Doch zugleich weiß ich, sobald ich zu Hause bin, werde ich all diese Erfahrungen vermissen und wünschte, da wäre mehr Zeit gewesen, um sich die Länder anzuschauen. Die Tour dauerte nur zehn Tage; im Grunde war sie ein Test, um zu schauen, wie wir mit allem klar kommen. Schließlich haben einige von uns Familien daheim und ich vermisse die Katzen. [lacht] Doch es sind ja nur zehn Tage und die gehen schneller vorbei, als man denkt…
Anders: …insbesondere wenn es keine Pausen gibt, wenn man keine freien Tage hat. Alles läuft nach einem engen Zeitplan.
NEGAtief: Ihr habt keinen Off-Tag?
Anders: Nein. Als Growl-Sänger wäre es für mich eigentlich gut, zwischendurch mal eine Pause zu haben. Ich hatte zu kämpfen…und einige Leute wurden auf der Tour krank. Abgesehen davon war aber alles gut. Auf allen Shows sammelten wir unterschiedliche Erfahrungen, die Sounds waren verschieden wie auch die Energien… Das Problem ist – wie Heike bereits erwähnte –, ich werde alles vermissen, wenn ich wieder daheim bin. Ich lebe allein. Es wird sehr ruhig sein, wenn ich wieder in meinen recht langweiligen Alltag zurückkehre.
Heike: Die Stadt ist klein.
Anders: Ja, Säffle ist eine kleine Stadt. Wenn man einmal dort herauskommt, all die Menschen trifft, realisiert man erst, wie klein diese Blase eigentlich ist, in der man lebt.
NEGAtief: Hattet ihr bisher Zeit, euch ein wenig die Städte der Tour anzuschauen? Macht ihr Sightseeing?
Heike: Nun, in Polen hätte es die Möglichkeit gegeben, ein wenig herumzulaufen, und auch in Wien hatten wir Zeit, doch genau in diesem Zeitraum war ich krank. Die anderen Jungs waren dafür in CD-Läden shoppen…
Anders: Ich habe eher geschlafen, als dass ich Sightseeing gemacht hätte.
Heike: Ja, Schlaf ist wichtig für einen Sänger. Wenn man nicht genug schläft, gestaltet sich das Singen echt schwierig. Schlafen ist ein bisschen wichtiger als Sightseeing, wenn man zehn Tage ohne Pause unterwegs ist. [lacht]
NEGAtief: Fahrt ihr alle in einem Bus?
Anders: Wir teilen uns den Nightliner mit Omnium Gatherum. Die anderen beiden Bands fahren in ihren eigenen Mini-Vans und schlafen in Hotels.
NEGAtief: Sie haben also die richtigen Betten…
Anders: Ja, dafür können sie sich nicht während der langen Fahrten einfach mal hinlegen, so wie wir im Nightliner.
NEGAtief: War waren eure bisherigen Highlights der Tour?
Heike: Ich vergesse so langsam die Namen der Städte und Locations…mmm…in welcher Stadt war nochmals das Publikum so toll?
Anders: Wien.
Heike: Ja, das war Wien. Dort spielten wir in einer ziemlich kleinen Location, aber die Zuschauermenge war großartig. Es war magisch. Man konnte förmlich die Energie der Leute spüren, und das spornte uns an. Eine wirklich intime Show. Und auch wenn ich mich an jenem Tag krank und schwindelig fühlte, die Menge machte alles wett. Das war also wirklich ein Highlight.
Anders: Ja, das war definitive unser Highlight, eine große Überraschung. Doch auch in Weinheim und Berlin war es gut, einfach magisch. In Berlin traf ich einen sehr guten Freund – Mathias von Cemetary.
NEGAtief: Gab es auch peinliche Momente unterwegs?
Heike: In Berlin hatte ich einen ziemlich peinlichen Moment. Ich performte gerade auf der Bühne und mein Rock rutschte mir ein wenig herunter. Das bemerkte ich erst, nun ja, eigentlich habe ich keine Ahnung, wie lang der da so komisch hing. [lacht] Ich zog ihn einfach schnell wieder hoch. Aber darüber kann ich lachen, schließlich sind anderen Musikern schon schlimmere Dinge auf der Bühne passiert.
Anders: Die gesamte Bratislava-Show war mehr oder weniger ein Desaster. Wir hatten technische Probleme, jeder von uns machte Fehler und ich vergaß mehr Songtexte als sonst. [lacht] Das war möglicherweise die schlechteste Show der gesamten Tour. Doch ich habe ein gutes Gefühl, was die Show heute Abend anbelangt. Es werden einige bekannte Gesichter da sein.
NEGAtief: Wie reagieren eure Fans auf die neuen Songs?
Heike: Wirklich gut. Es ist schön zu hören, dass sie die Texte bereits mitsingen können, auch wenn es sich um neues Material handelt. Auch finde ich es schön, wenn Leute nach der Show zu mir kommen, um mir zu sagen, dass ihnen das neue Album gefällt. Als neue Sängerin der Band ist es für mich ein Kompliment und das motiviert mich.
Anders: Nach unserer gestrigen Show waren die Fans großartig.
NEGAtief: In München?
Anders: Ja, in München. Ich traf auf einen Fan, der gar nicht mehr aufhören konnte, mich zu umarmen. Und die Leute gaben mir Drinks aus, so dass ich nach einer Weile „stopp“ sagen musste, denn ich wurde langsam betrunken. [Gelächter] Auch traf ich auf einen körperbehinderten Mann, er konnte nicht laufen, und ich arbeite ja daheim mit behinderten Menschen. Es hat uns sehr gefreut, dass er extra gekommen ist, um Draconian zu sehen. Und erst vor 15 Minuten bekam ich von ihm eine Mail mit dem Foto, das wir zusammen gemacht haben – er ist wirklich glücklich darüber.
NEGAtief: Diesmal tourt ihr mit einem etwas anderen Line-up. Was ist geschehen?
Anders: Fredrik hat die Band verlassen, schon vor einer ganzen Weile, doch wir haben es erst später offiziell verkündet. Wir suchen noch immer nach einem neuen Bassisten. Daniel [Änghede; Crippled Black Phoenix] war so nett, einzuspringen und die Songs zu lernen. Und da unser Schlagzeuger Jerry Vater geworden ist, wollte er natürlich daheim bleiben. Doch Tarald von Tristania bot uns seine Hilfe an.
NEGAtief: Da es sich um eine Co-Headliner-Tour zusammen mit Omnium Gatherum handelt – wer steht denn jeden Abend als letztes auf der Bühne? Wechselt ihr euch ab?
Heike: Ja, wir wechseln uns jeden Abend ab. Heute sind Omnium Gatherum die Letzten auf der Bühne.
NEGAtief: Sind Streiche geplant?
Anders: Ich weiß nicht. Wenn dafür Zeit ist, vielleicht…das liegt nicht wirklich an uns, zumal die anderen Jungs Headliner sind.
Heike: Wir müssen uns immer an den Zeitplan halten und uns zu einer bestimmten Zeit auf den Weg machen, denn morgen geht es zurück zum Flughafen – alles ist genau geplant. Und wenn einige Leute Dinge tun, die sie eigentlich nicht tun sollten, bekommt man davon Wind… [lacht] Es ist also immer besser, sich genau an den Plan zu halten.
NEGAtief: Da zwei schwedische und zwei finnische Bands zusammen touren – gibt’s da eigentlich jede Menge Party?
Heike: Weniger als ich dachte. Die erste Nacht war ziemlich wild, aber ich denke, alle nehmen die Tour sehr ernst und sie wissen, dass man ein gewisses Gesundheitslevel aufrechterhalten muss, um jeden Tag zu funktionieren. Natürlich wird getrunken. Ich glaube nicht, dass irgendjemand in diesem Chaos komplett nüchtern bleiben möchte. Und ja, mir ist klar, dass hier zwei schwedische und zwei finnische Bands zusammen reisen – deshalb erwartete ich als objektive Außenstehende wahrlich mehr Sauferei. [lacht] Ich bin deshalb sehr beeindruckt, dass dem nicht so ist.
NEGAtief: Und du bist mit dem ganzen Haufen Männern alleine?
Heike: Nein, eigentlich sind noch zwei andere Mädels mit uns im Bus. Ich dachte, ich wäre die einzige, aber zum Glück sind diese Mädels mit dabei und sie sind sehr nett.
NEGAtief: Und du bist immer noch Vegetarier, Anders? Funktioniert das auf Tour?
Anders: Ja, bin ich. Auf Tour ist es allerdings wirklich schwer, sich komplett vegan zu ernähren. Das Catering war nicht immer so großartig.
NEGAtief: Mir ist zu Ohren gekommen, dass sich einige von euch eine Lebensmittelvergiftung zugezogen haben…
Heike: Wir haben herausgefunden, dass es nicht wirklich eine Lebensmittelvergiftung war. Vielmehr eine Magen-Darm-Grippe oder dergleichen. Wir dachten anfangs, es hätte was mit dem Fleisch zu tun, denn die Vegetarier unter uns wurden nicht krank. Doch später hat es sie auch noch erwischt, nach und nach. Unser Tourmanager ist sogar im Krankenhaus gelandet. Filip hat uns gestern Abend verlassen und kann heute bei der letzten Show leider nicht dabei sein. Doch innerhalb der letzten vier, fünf Tage ist fast jeder von uns irgendwie krank geworden.
NEGAtief: Habt ihr immer ein eigenes Medizinköfferchen dabei?
Heike: Noch nicht einmal das hat geholfen. Ich habe kolloidales Silber und Olivenextrakt mit dabei, was beides eigentlich sehr gut sämtliche Arten von Bakterien abtötet, doch in einem Bus lässt es sich nur schwer vermeiden, sich nicht zu infizieren. Wir mussten ständig alles desinfizieren [lacht], aber es hat einfach nicht gereicht, insbesondere wegen der Luftverbreitung. Letztlich hat es uns alle erwischt.
Anders: In einem Nightliner ist es einfach sehr voll, sehr warm, man kann nichts dagegen tun.
NEGAtief: Was werdet ihr als erstes tun, wenn ihr wieder daheim seid?
Heike: Mit den Katzen spielen.
Anders: Ja, ich auch. Meine Katzen befinden sich allerdings grade an einem anderen Ort und ich muss sie erst abholen, dann werde ich vermutlich schlafen. Ab dem 8. März muss ich dann wieder zur Arbeit.
NEGAtief: Was erwartet uns bei der heutigen Show hier in Oberhausen?
Heike: Die Show wird sehr emotional sein, doch werden wir auch auf unsere Fans in der Menge eingehen. Für mich wird es heute generell etwas emotionaler, weil es die letzte Show ist und viele Leute da sein werden, die wir kennen. Wir hoffen, dass es gut wird. Man kann nie wissen, was die Technik und der Sound machen – es hängt manchmal nur von Kleinigkeiten ab.
Interviews & Fotos: Lea Sommerhäuser
11 March 2016 Dark Aurora