FTANNG! – “Ich bin kein wirklich glücklicher Mensch, auch wenn ich dazu allen Grund hätte”
„Happiness“ ist wahrlich nicht das richtige Wort, um die Musik der Alternative/Electronic-Rocker von FTANNG! zu beschreiben. Dass das Duo seine aktuelle Single dennoch so genannt hat, ist blanker Zynismus. „Es geht im Grunde darum, dass du aufwächst und alle dir vorschreiben, was du mit deinem Leben anstellen sollst: ‚Such dir nen guten Job, mach was Anständiges!’ Und irgendwann steht man da und merkt, dass man in einer Sackgasse steckt und das Leben in komplett anderen Bahnen verlaufen ist, als man sich vorgestellt hat“, beschreibt Sänger Dorian Deveraux die neue Single inhaltlich. „Das Ding ist, dass man in dieses System geboren wird und sich nur schlecht dagegen wehren kann. Sich daraus zu befreien, ist ein enormer Kraftakt.“
Musikalisch schlägt die Band mit ihrer vierten Veröffentlichung eine wesentlich härtere Gangart an als bei den vorherigen Singles: Treibende Drums, harte Elektronik und Gitarrenwände bestimmen das Klangbild. Darüber – schwankend zwischen einem Flüstern, Verzweiflung und Wut – ist die markante Stimme von Dorian Deveraux zu hören, die dem Song den FTANNG!-Charakter verleiht.
Wie die drei Veröffentlichungen davor ist „Happiness“ sowohl als Gratis-Download über die Band-Website als auch in den gängigen Streaming-Portalen und Online-Shops in verschiedenen Formaten erhältlich: eine normale MP3, gemastert für mobile Abspielgeräte wie Smartphones oder MP3-Player, und eine Audiophile-MP3, die das komplette, unverfälschte Klangspektrum des Songs bietet, wie er im Studio zu hören ist.
Interview mit Dorian Deveraux [FTANNG!]
Dorian, über welchen Zeitraum ist euer vierter Track „Happiness“ entstanden?
Dorian: Ich glaube, den ersten Entwurf habe ich im September oder Oktober 2013 aufgenommen, ungefähr kurz bevor oder nachdem wir „Meaning“ veröffentlicht haben. In dem Zeitraum ist der Song gewachsen. Wir nehmen uns gern Zeit für unsere Veröffentlichungen, weil Schnellschüsse nicht so unser Ding sind. Bevor ich FTANNG! gegründet habe, habe ich meine Texte z.B. morgens im Auto auf dem Weg ins Tonstudio geschrieben. Im Nachhinein empfinde ich das als absolute Frechheit den Leuten gegenüber, die dafür Geld ausgegeben haben. Heute ist das komplett anders. Da bleibt ein Text oder ein Song, mit dem ich nicht 100 Prozent zufrieden bin, auch mal ein paar Wochen liegen, bis ich mich wieder dransetze. Man muss den Dingen Zeit geben, zu reifen. Deshalb halte ich auch nicht viel davon, jedes Jahr krampfhaft ein Album auf den Markt zu werfen. Natürlich ist es heutzutage schwierig, relevant zu bleiben; gerade im Musikbereich wird man mit Veröffentlichungen erschlagen. Aber wir halten lieber unsere hohen Qualitätsansprüche aufrecht, statt verzweifelt halbgares Material unter die Leute zu bringen.
Im Song geht es darum, dass man aufwächst und alle einem vorschreiben, was man zu tun hat: Such dir nen guten Job, mach was Anständiges! Inwiefern hast du das am eigenen Leibe erfahren?
Dorian: Ich glaube, das hat doch jeder schon auf die eine oder andere Weise. Als Teenager oder junger Erwachsener sind wir doch alle schon mal mit unseren Eltern oder Lehrern aneinandergeraten, weil man nicht den Weg gehen will, von dem sie denken, dass es der beste wäre. Ich hätte Jura studieren oder in die Politik gehen sollen, wenn es nach meinem Vater gegangen wäre. Da wäre ich jetzt wohl ein sehr unglücklicher, wohlhabender Mensch. Stattdessen habe ich mein Studium abgebrochen und bin Musiker und Journalist geworden. Man sollte immer versuchen, seinen eigenen Weg zu finden, auch wenn der oft ziemlich steinig ist.
„Happiness“ ist eher zynisch gemeint – doch was hat dich zuletzt wirklich glücklich gestimmt?
Dorian: Ich bin kein wirklich glücklicher Mensch, auch wenn ich dazu allen Grund hätte. Eigentlich ist mein Leben schön, ich wohne mit meiner Freundin zusammen, bin einigermaßen frei in dem, was ich tue, und habe tolle Freunde. Aber es gibt einfach zu viele Dinge, die mich runterziehen bzw. von denen ich mich runterziehen lasse. Menschliches Miteinander, Politik, viele Dinge, die einem im täglichen Leben begegnen. Vielleicht denke ich auch über vieles zu viel nach; das ist ja leider heutzutage mehr Fluch als Segen. Wirklich glücklich bin ich, wenn ich Musik mache oder wenn ich mit meiner Freundin und dem Hund unterwegs bin. Das sind die Dinge, die mich bei Verstand halten in dieser immer irrsinniger werdenden Welt.
FTANNG! sehen aktuell nur Studiolicht. Vermisst du es nicht manchmal, wieder auf der Bühne zu stehen und vor Publikum aufzutreten?
Dorian: Ich vermisse es an jedem verdammten Tag. Schließlich ist das Teil des Jobs eines Musikers und vor allem einer, der wirklich viel Spaß macht. FTANNG! auf die Bühne zu bringen, ist eines meiner vielen Ziele mit dieser Band. Es gibt einige Ideen, wie das aussehen könnte; von kleineren Clubkonzerten bis großen Festivalshows ist alles dabei. Als sehr reizvoll habe ich immer die Tradition der Hausmusik empfunden. Vielleicht lade ich einfach mal eine Handvoll Leute ein und wir spielen für die ein Semi-Akustik-Set in meinem Wohnzimmer.
Interview: Lea Sommerhäuser
Foto: Ole Kristian Heyer
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4 June 2014 Sascha Blach