Unzucht – „Eigentlich sind wir Punks“
Derzeit befinden sich die vier Dark-Rocker von Unzucht auf Headliner-Tour, um ihr neues Werk „Venus Luzifer“ live vorzustellen. Wir besuchten die Herren bei ihrem Halbzeitstopp am 23. Januar 2015 in Köln und sprachen mit Sänger Daniel Schulz sowie Drummer Toby Fuhrmann im frischgeschrubbten Tourbus über die Wehwehchen von Musikern, das Reisen im Nightliner, Baumwollnutten und Metal-Kreuzfahrten in der Karibik.
NEGAtief: Hat das neue Jahr ganz nach eurem Geschmack begonnen?
Daniel: Ja, vor allen Dingen hat das alte Jahr auch nach unserem Geschmack geendet. Am Silvestertag befanden wir uns auf der Rückreise von den „Eisheiligen Nächten“ und sind die Nacht praktisch durchgefahren. Wir stiegen direkt von der Abschlussparty in den Bus, kamen feiernd nach Hause und verbrachten dann alle ein ziemlich ruhiges Silvester daheim. Wir sind sehr zufrieden.
NEGAtief: Und das Jahr hat dann auch gut begonnen?
Daniel: Erstmal mussten wir uns kurz erholen, denn es grassierte die böse Tourseuche auf den „Eisheiligen Nächten“. Da hat sich, so glaube ich, jeder von uns angesteckt und flach gelegen…
Toby: Aber das ist ja normal: quasi Arbeitsrisiko.
Daniel: Ja, wenn die Grippe erstmal auf Tour grassiert, hast du keine Chance, dagegen anzukommen. Wir sind aber rechtzeitig wieder aufgewacht und hier sind wir!
NEGAtief: Und es ist auch schon wieder Halbzeit bei der aktuellen Tour…
Daniel: Ich glaube, wir sind sogar schon drüber!?
Toby: Nee, sind wir nicht. Es ist genau Halbzeit!
Daniel: Echt? Guter Hinweis! Das werde ich nachher mal erwähnen.
NEGAtief: Wie ist es denn bisher gelaufen für euch?
Daniel: Sehr schön! Das ist bekanntlich erst unsere zweite Headliner-Tour überhaupt und dafür läuft es richtig, richtig gut. Es ist wirklich schön, wie wir angenommen werden und die Leute uns feiern. Auch in London war es cool und wir dürfen wiederkommen. Wir freuen uns sehr!
Toby: Das war auf jeden Fall die Überraschung der Woche, dass wir tatsächlich den Break in London geschafft haben. Sehr schön!
NEGAtief: Ihr ward das erste Mal dort, richtig?
Toby: Ja, wir haben dort erstmalig gespielt und es war tatsächlich besser als unsere erste Show in Hamburg und Berlin vor vier Jahren – zumindest meiner Auffassung nach. Ich fand’s in London voll gut. [lacht] Natürlich war die Show nicht ausverkauft und es schlugen weniger Leute auf als bei den anderen Konzerten, aber das macht ja nichts. Wir wussten schon vorher, dass es so sein wird. Aber die Leute, die da waren, fanden es cool. Es waren welche dabei, die unsere Musik schon kannten, aber auch einige, die noch nie von uns gehört hatten. Unser Mischer meinte aber, dass wir am Ende alle Leute gepackt haben – sogar die Thekencrew. Alle haben irgendwie mitgemacht und geklatscht. Auch unsere lokale Vorband Maleficent machte uns große Komplimente. Jene Band war natürlich mitverantwortlich, dass wir den Abend im Club nicht ganz alleine verbringen mussten. Denn wenn die Band nicht gewesen wäre, wären wahrscheinlich nur halb so viele Leute gekommen…aber es war auf jeden Fall cool!
NEGAtief: Wie haben die Zuschauer dort die deutschen Texte angenommen?
Toby: Unser Tourmanager hat beobachtet, dass die Leute mehr gemosht haben als bei den deutschen Konzerten. Weil sie die Texte wohl nicht verstehen, achten sie eben mehr auf die Musik. Deshalb wurde geheadbangt, was cool war.
Daniel: Verblüffenderweise gab es aber trotzdem Leute im Publikum, die Wort für Wort mitgesungen haben. Engländer! Ich war super beeindruckt. Natürlich waren unsere Ansagen auf Englisch, aber die deutschen Songtexte wurden ebenso prima angenommen.
NEGAtief: Welche Eindrücke habt ihr darüber hinaus in London sammeln können? War ihr schon einmal privat dort?
Daniel: Ich war einmal vorher dort, um mir ein Beatsteaks-Konzert anzuschauen. Das ist aber bereits zehn Jahre her und ich verbrachte nur drei Tage vor Ort. Die Stadt ist sehr, sehr geil! Diesmal sind wir am Vorabend dort angekommen, hatten durch eine Vollsperrung noch ein bisschen Verspätung, waren auch alle ziemlich kaputt und haben nicht so viel geschafft. Wir sind lediglich zur Abbey Road hin und mussten unbedingt über diesen Zebrastreifen laufen – zumindest der Teil von uns, der darauf Bock hatte. Andere haben einen ruhigen Abend gemacht.
Toby: Da wir den Nightliner unter einem Tesco geparkt hatten, konnten wir schön dort einkaufen und so gab es Bier und Whiskey. [lacht] Wir sind den Abend vor der Show dort angekommen und waren letztlich gar nicht so lange dort. Und als das Konzert vorbei war, mussten wir sofort packen – um Mitternacht hatten wir sogar einen neuen Laderekord aufgestellt – und los nach Berlin.
NEGAtief: Uff, wie anstrengend…
Toby: Das ist halt normal. Ich werde mich nicht darüber beschweren.
Daniel: Wir kennen solche Wahnsinnsritte ja auch mit Sprintern. Deshalb ist es für uns ein wahrer Luxus, jetzt mit einem Nightliner unterwegs zu sein. Unser Fahrer John macht da vorne einen Wahnsinnsjob! Und wir sitzen hier drinnen und schlafen oder feiern – je nachdem, wonach uns ist.
NEGAtief: Sind die Betten denn halbwegs komfortabel?
Daniel: Es sind zwar 3-Stock-Betten, aber trotzdem gibt es genug Platz. Wir sind mit 14 Leuten hier drin bzw. 15 mit dem Fahrer – dafür ist der Bus aber super komfortabel. Den Abend im Bus in London habe ich mich tatsächlich ein bisschen zurückgehalten und bin am nächsten Morgen losgezogen, weil ich mir unbedingt Camden anschauen wollte. Mein Klamottendealer in Hannover fährt dort ein- bis zweimal im Jahr hin und hat mir von diesem Markt vorgeschwärmt. Deshalb bin ich mit der U-Bahn dorthin gefahren…
NEGAtief: Zum Shoppen?
Daniel: Ich habe mehr geguckt als geshoppt [lacht], weil mich die Preise ganz schön umgehauen haben. Da waren geile Sachen dabei, aber ich war zugleich total überflutet. Aber es gefiel mir, einfach mal zwei Stunden über den Markt zu laufen und dem Treiben dort zuzuschauen.
NEGAtief: Macht ihr auch in Deutschland noch Sightseeing oder habt ihr mittlerweile schon alles gesehen?
Daniel: Meistens fehlt einfach die Zeit. Grundsätzlich interessiert mich so etwas brennend – Geschichte, Gebäude etc. Ich bin immer froh, wenn ich mal eine Stunde finde. Und mit so einem Nightliner ist es auch schonmal eher möglich.
NEGAtief: Wie verbringt ihr ansonsten die Zeit zwischen Aufstehen und einer Show am Abend?
Daniel: Dadurch, dass man oft erst um 4 oder 5 Uhr morgens in die Kojen kommt, wacht man erst super spät auf, schaut, wo es Frühstück und Duschen gibt, vielleicht wird noch schnell etwas eingekauft, und dann geht eigentlich der Trott schon wieder los: Aufbau, Soundcheck, Interview…
NEGAtief: Ihr habt Death Valley High aus den USA als Vorband dabei. Wie kommt ihr gerade an diese Jungs?
Toby: Ich kannte sie tatsächlich schon und hatte mir die neue Platte gekauft. Ich kannte auch ihren Manager, der jetzt unser Tourmanager ist. Ihn hatte ich im Frühjahr kontaktiert, sobald die ersten Tourdaten feststanden. Außerdem ging es darum, ein wenig aus dem eigenen Dunstkreis herauszukommen und nicht immer mit den üblichen Verdächtigen einen Inzest zu betreiben. [lacht] Es sollte einfach mal eine neue Band hinzukommen, mit der keiner rechnet und die einfach auch geil ist. Death Valley High haben sämtliche Faktoren erfüllt. Als dann auch geklärt war, dass sie ebenso Geld mitbringen, um sich mit uns einen Nightliner zu teilen, war die Sache geritzt. Alleine hätten wir uns den Nightliner wohl nicht leisten können.
NEGAtief: Versteht ihr euch alle gut oder gibt es auch schonmal kleine Reibereien?
Toby: Null Reibereien, super gute Leute, ein totaler Glücksgriff!
Daniel: Den Jungs scheint auf jeden Fall die kalifornische Sonne aus dem Arsch. Sie kommen aus San Francisco und sind super pflegeleicht. Seit dem ersten Tag an haben wir mit ihnen eine richtig gute Zeit.
Toby: Lustigerweise haben wir die Jungs auch schon vor der Tour getroffen. Denn im November, als unser Album „Venus Luzifer“ herausgekommen ist, hatten wir eine kleine Release-Party im Last Cathedral in Berlin. Death Valley High waren zu jenem Zeitpunkt ebenso in Berlin, weil es am nächsten Tag auf UK-Tour mit Trapt gehen sollte, und kamen auf einen Kurzbesuch vorbei.
NEGAtief: Und jetzt macht ihr jeden Abend nach einem Konzert noch Party?
Toby: Manchmal geht einer eher ins Bett, aber es wird jeden Abend Party gemacht.
Daniel: Das ist ein bisschen wechselschichtig. Wer den Abend vorher richtig abgestürzt ist oder sich nicht gut fühlt [lacht], geht dann einfach was früher ins Bett. Ich war z.B. nach dem Konzert in Nürnberg ziemlich erschöpft und habe die darauffolgenden Tage etwas langsamer gemacht. Die Leute auf den nachfolgenden Shows sollten schließlich auch noch vernünftige Auftritte erleben.
NEGAtief: Toby hat es eben schon angesprochen: „Venus Luzifer“ ist euer neues Album. Inwiefern habt ihr eure Shows daran angepasst?
Daniel: Wir haben die „Venus Luzifer“ mit auf der Bühne stehen. Dahinter verbirgt sich eine Figur, die eine befreundete Designerin – Eva-Maria Geißer – für uns entworfen hat. Sie hat auch schon unser Musikvideo „Unendlich“ ausgestattet. Dann gibt es noch weitere Elemente, beispielsweise wurde das weiße, blutige Kleid verlängert und verteilt sich über die Bühne. Ich wiederum trage Armbinden, die die Thematik zusätzlich aufgreifen.
NEGAtief: Nach welchen Kriterien habt ihr die Setlist für die aktuelle Tour zusammengestellt?
Daniel: Diesmal haben wir uns sehr schwer getan, da mittlerweile drei Alben veröffentlicht sind. Einerseits wollten wir den alten Platten gerecht werden, andererseits das neue Album am liebsten komplett durchspielen, weil wir so unglaublich stolz auf diese CD sind. Letztlich haben wir Listen gemacht und einen ganzen Nachmittag lang abgestrichen und Tabellen entworfen [lacht], um da irgendwie zurande zu kommen. Es war wirklich nicht einfach.
NEGAtief: Wechselt ihr die Songs abends schon einmal durch?
Toby: Es kann gut sein, dass wir nun in der zweiten Tourhälfte ein anderes Set spielen. Bisher haben wir die Songs nicht gewechselt. Zum Glück ist es aber auch so, dass unsere Songauswahl beim Publikum auf totale Gegenliebe stößt. Es hat sich tatsächlich noch niemand beklagt – und das hatten wir bisher noch nie! Sonst kommen schon einmal Fans und fragen: „Och, warum habt ihr denn den und den Song nicht gespielt?“ Doch auf dieser Tour ist mir noch nichts zu Ohren gekommen, dass jemand gemeckert hätte oder dergleichen. Das Set ist einfach so rund, dass sich niemand vernachlässigt fühlt. Wenn man sich das Konzert reingezogen hat, ist man einfach zufrieden, glaube ich. Man denkt nicht drüber nach, was gefehlt hat. [lacht]
Daniel: Wir spielen sieben Songs vom neuen Album, und ich glaube, das ist der ausschlaggebende Punkt. Es macht alle glücklich und zufrieden. Wir haben noch nicht einmal „Kleine geile Nonne“ im Set. Bei dem Song hatte ich wirklich ein bisschen Angst, dass wir Beschwerdebriefe aus dem Kloster bekommen. Viele haben sogar gesagt, dass der Song in unser derzeit episches Set nicht so richtig reinpasst.
NEGAtief: Hat jeder von euch einen Live-Lieblingssong oder sogar ein Lied, das er mittlerweile selbst nicht mehr hören kann?
Daniel: Nee, das haben wir eigentlich vermieden, indem wir viele Sachen, die wir auf der letzten Tour schwerpunktmäßig gespielt haben, herausnahmen und auch mal wieder ältere Sachen wie „Das belgische Inferno“ spielen. Ich freue mich jeden Abend allein schon auf den Opener. Es ist so unfassbar geil, wie der Song „Wir sind das Feuer“ angenommen wird und was es für ein Feeling ist, ihn zu spielen. „Mein Grab“ ist auch Wahnsinn.
Toby: „Neugeboren“ vom neuen Album macht ebenso Spaß.
Daniel: Ein schöner Kopfnicker! Und „Schweigen“ ist eine super Zugabe.
NEGAtief: Gibt es für dich, Toby, spieltechnisch einen Song, der ein wenig herausfordernder als andere ist?
Toby: Ja, auf jeden Fall, aber ich habe mich nun im Laufe der Zeit schon ein bisschen dran gewöhnt. Eigentlich ist immer noch „Das belgische Inferno“ der anstrengendste Song [lacht] und der kommt dann auch gleich als drittes. Aber es ist schon gut, dass er nicht direkt als erstes kommt, da ich mich für den Song ein wenig warm machen muss, was wir alle generell eigentlich nicht tun.
NEGAtief: Aber ihr spielt doch eh jeden Abend, dann müsstet ihr doch warm genug sein! Und du wirst doch wohl keinen Muskelkater vom Schlagzeugspielen bekommen, oder?
Toby: [entsetzt] Was? Denkst du, dass das kein Sport ist?
NEGAtief: [lacht] Aber dafür bekommt Daniel keinen Muskelkater…
Daniel: Das ist richtig, aber ich kann mich beim Singen auch überanstrengen. Dann hätte ich ein Problem auf Tour. Deshalb muss ich immer ein bisschen aufpassen. Wenn ich merke, es ist grad alles richtig Baustelle, dann singe ich auch vorher mal ein paar Töne. Normalerweise muss ich das nicht, denn wenn wir den Soundcheck gemacht haben, dann bin ich warm für den Abend.
Toby: Ich hatte tatsächlich als Verletzung zum Tourauftakt eine Entzündung im Sprunggelenk oder so. Aber in Kaiserslautern besuchte uns Alea von Saltatio Mortis, der in Asien in irgendwelchen Klöstern Kung Fu gelernt und sich ein paar Akupressursachen abgeguckt hat. Er behandelte mich dann. Das tat zwar unglaublich weh und ich spürte es noch drei Tage lang, aber letztlich hat es tatsächlich geholfen. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Alea! Das hätte ich nicht gedacht. Er sah halt, dass mein Finger angeschwollen war, und meinte dann, ich müsse unbedingt was dagegen tun. Sonst könnte es sein, dass ich in drei Tagen nicht mehr spielen könne.
NEGAtief: Hast du dich im Rahmen des Schlagzeugspielens auch schon einmal richtig ernsthaft verletzt?
Toby: Ja, auf der vorherigen Tour verletzte ich mir den Fuß, als ich ein Pedal bei einer Show in der Schweiz geschrottet habe. [lacht] Danach musste ich ein paar Tage humpeln und beim Spielen war es nicht gerade angenehm.
NEGAtief: Übst du auch oft daheim?
Toby: Nee, eigentlich sind wir Punks. [lacht] Ich habe nichts dagegen, das Schlagzeug mal länger als eine Woche in Ruhe zu lassen.
Daniel: Nicht umsonst ist übrigens heute ein Masseur hier, ein guter Bekannter, der uns alle mal durchknetet. Gitarristen haben es ja gerne irgendwann oben an der Schulter, vom Gurt und so, Schlagzeuger am ganzen Körper…
Toby: Der Masseur meinte vorhin schon zu mir, ich hätte diverse Blockaden, aber das ist jetzt nach der Behandlung schon besser geworden. Er sagte tatsächlich, dass Schlagzeuger immer die Problemkinder sind.
Daniel: Unser Jüngster, Basser Blaschke, hatte es richtig extrem. Da fiel sogar das Wort „Marmorplatte“. Bei mir hat der Masseur auch viele Punkte entdeckt. Ich wies ihn beispielsweise auf eine Stelle am Nacken hin und er machte sich an meiner Wade zu schaffen. [lacht]
NEGAtief: Eine Überanstrengung der Stimmbänder kann auch gefährlich werden, vor allem bei Musikern, die gerne growlen…
Toby: Es sind schon genügend Leute an den Stimmbändern operiert worden!
Daniel: Ich glaube nicht, dass es abhängig vom Gesangsstil ist. Es kommt immer darauf an, ob du richtig oder falsch growlst bzw. singst. Oder du fängst dir im falschen Moment eine Erkältung ein, musst aber weitermachen und schmeißt Medikamente ein. Mir ist das mal passiert – danach hatte ich drei Monate Singverbot und einen Monat Sprechverbot. Da ist mir der Arsch echt auf Grundeis gegangen. [lacht] Aber das ist zum Glück schon sehr lange her!
Toby: Letztlich ist es Berufsrisiko – gibt es ja bei allen anderen Jobs auch.
NEGAtief: Hat man als Musiker auf Tour immer einen ganzen Medizinkoffer dabei?
Daniel: Ich habe meinen Kram dabei, bei dem ich weiß, dass er wirkt. Wenn ich z.B. das erste Halskribbeln bemerke, kaue ich einfach frischen Ingwer. Zur Stimmpflege nutze ich ganz viele Hausmittel und gehe nicht immer gleich auf Chemie. Ich habe immer ein kleines Säckchen dabei und versorge auch andere damit.
NEGAtief: Du bist also die wandelnde Apotheke?
Daniel: Ja, aber nur auf Naturbasis. [lacht] Magnesium habe ich z.B. auch immer dabei, falls jemand nach Tagen des Feierns und Schwitzens krampft.
NEGAtief: Apropos Natur: Letztes Jahr hast du bekanntlich diese lange Wanderung auf dem Jakobsweg gemacht, bist Weiten und Freiheit gewöhnt. Ist es da nicht eine Herausforderungen für dich, plötzlich so viele Tage auf engstem Raum mit anderen Menschen in einem Tourbus zu reisen?
Daniel: Das ist das Leben, das ich mir ausgesucht habe! Davon habe ich immer geträumt! Ich könnte auch in einem U-Boot fahren, wenn es sein muss. Das wäre mir egal, wenn’s für den Rock’n’Roll ist. Es ist schließlich der Traum aller Musiker, mit einem Nightliner durch die Gegend zu fahren. Natürlich nervt es, wenn einem aus Versehen mal ins Gesicht gepupst wird [lacht], ansonsten ist alles cool.
NEGAtief: Von oben durch die Decke?
Daniel: Nee, aber im hinteren Busteil schlafen halt 14 Leute und der Gang ist original zwei Pritschen lang und das war‘s. Du stehst dir also immer irgendwie im Weg, wenn grade Stoßzeiten sind und alle aus ihren Kojen kommen oder etwas holen müssen. Dann lehnst du dich rein, drängelst dich durch, nichtsdestotrotz nimmt jeder auf jeden Rücksicht. Und dann ist das okay.
NEGAtief: Aber entspanntes Schlafen ist nicht möglich, oder?
Daniel: Es geht. Ich höre unglaublich gerne Hörbücher und mag es, wenn der Bus so schön schaukelt. Das ist wie in einer Wiege. Die Füße zeigen dabei immer in Fahrtrichtung, sonst gibt es gleich einen Genickbruch, wenn was passiert, weil du dann mit dem Kopf gegen die Wand knallst.
NEGAtief: Nutzt ihr Oropax, um das Schnarchen der anderen auszublenden?
Toby: Ich habe keine dabei…
Daniel: Toby legt sich einfach nur hin und ist direkt ausgeknipst.
Toby: Ich kann mich eigentlich überall hinlegen und einfach einschlafen. [grinst]
Daniel: Aber zurück zum Kontrast, den du meinst: Es war zumindest ein schöner Ausgleich mit der Wanderung. Vor über zwei Jahren habe ich das mit der Band besprochen, dass wir gerne nochmals den Weg gehen würden…
NEGAtief: Du bist ihn also schon einmal gelaufen?
Daniel: Ja, bin ich. Meine Mutter stammt ja aus Galicien und ich bin mit dem Weg sozusagen groß geworden. Deshalb ist die Gegend dort irgendwie meine zweite Heimat, zumal auch noch Familie von mir dort lebt. Ich liebe das sehr und schreibe meine Texte auch am liebsten in der Natur oder an besonderen Stellen, weil sie inspirieren. Und letztes Jahr auf dem Weg habe ich die Texte für „Venus Luzifer“ fertig geschrieben, die ich zuvor bereits angefangen hatte, und Melodien verfeinert. Weil wir die Wanderung lange geplant hatten, bin ich mit einem guten Gefühl losgezogen, dass das Album gut wird. Die anderen Jungs haben in der Zeit weiter arrangiert und Daniel De Clercq hat die ganzen Electronics fertig gebaut. Als ich dann zurückkam, ging es direkt ins Studio.
NEGAtief: Und was fasziniert dich neben der Musik, Toby?
Toby: Ich schreibe noch ein bisschen nebenbei…
NEGAtief: Romane?
Toby: Ja!
NEGAtief: In welche Richtung geht’s?
Toby: Sex, Drogen und Gewalt. [lacht] Ansonsten stehe ich noch auf Comics, Horror-Filme und bin als Baumwollnutte mit anderen Bands unterwegs.
Daniel: Baumwollnutte habe ich ja noch nie gehört. [lacht herzhaft] Also Merchandiser!
Toby: So nennt man sich eben in Fachkreisen…
NEGAtief: Was ist denn das erste, was ihr macht, wenn ihr nach einer längeren Tour wieder nach Hause kommt?
Daniel: Es kommt darauf an, zu welcher Tageszeit ich nach Hause komme. Eigentlich bin ich mehr der Duschmensch, aber wenn ich von einer Tour komme, lasse ich mir meist eher Badewasser ein, mache einen Wein auf und genieße die Stille. In unserer Musik ist es ebenso, denn wir haben diese Dynamik darin: extreme Attacke und im nächsten Moment wieder Wahnsinnsatmosphäre. Das brauche ich auch im Privatleben…
Toby: Ich mache das, was ich sonst auch immer tue: laut Musik hören und Bier trinken – damit der Kontrast einfach nicht so extrem ist. [lacht]
NEGAtief: Kürzlich ist das „70.000 Tons Of Heavy Metal“-Schiff mit zahlreichen Metal-Bands und Gästen in See gestochen, um durch die Karibik zu schippern. Wäre das auch was für euch?
Toby: Auf jeden Fall! Wir spielen auch mit Metal-Bands zusammen, kein Problem. Bisher sind wir noch nie ausgebuht worden! An uns soll es nicht scheitern. [lacht]
Daniel: Es waren ja auch schon einige Bands aus unserer Szene dabei wie etwa Subway To Sally…
NEGAtief: Last but noch least: Was sind eure Vorsätze für 2015?
Daniel: Ich bin eigentlich überhaupt kein Vorsatzmensch. Es wäre schön, wenn sich das mit der Unzucht so weiterentwickelt, wir möglichst viel live spielen, hoffentlich gute Ideen haben und gut inspiriert werden, Spaß haben und das Leben genießen.
Toby: Ich habe mir auch keine Vorsätze gemacht.
NEGAtief: Wie langweilig! [Gelächter]
Daniel: Okay, dann sagen wir doch, wir müssen aufhören, weniger zu trinken.
Toby: Genau, kein Alkohol ist auch keine Lösung!
Interview & Fotos: Lea Sommerhäuser
www.unzucht-music.com
28 January 2015 Sascha Blach